Samstag, 5. November 2011

Antwort auf den Brief von Herrn Kastner zur Griechenland-Krise und den Lösungsmöglichkeiten


Hallo Herr Kastner,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Ich nehme den Dialog gerne auf und antworte auf Ihren Aufsatz nunmehr in derselben Form, das heißt mit einem Post in meinem Blog.
Für diejenigen, die sich dafür interessieren, weise ich auf die Anfänge des Dialogs hin. Begonnen hat der Dialog mit einem Kommentar von Herrn Kastner zu meinem Aufsatz „GiorgosPapandreou – Rebell für einen Tag“, in dem er auf seinen Aufsatz „Schade, dass die EU-Eliten so unklug sind!“ hinwies. Auf meine Stellungnahme dazu (in den Kommentaren zu „Giorgos Papandreou – Rebell für einen Tag“) hat Herr Kastner mit seinem „Brief an Herrn Dr. Stefan Eichner“ geantwortet, auf den ich nun mit den folgenden Zeilen reagieren möchte:

Ihr Beispiel, wie man „Importzölle“ erheben kann ohne gegen Handelsverträge zu verstoßen, ist überzeugend und passt in jedem Fall auf Staaten mit markanten wirtschaftsstrukturellen Schwächen bzw. einer wenig ausdifferenzierten Wirtschafts-struktur. Vor allem zeigt es – nicht nur mir, wie ich hoffe -, dass vieles machbar ist, wenn man nur will und dass es, anders als immer behauptet, Alternativen zur Austeritätspolitik gibt.
Ich persönlich bin der Auffassung, dass Europa gut beraten wäre, eine Art offenen Ideen-Contest durchzuführen – vom Verfahren her vielleicht ähnlich wie die Aufrufe zur Stellungnahme zu Grünbüchern der Europäischen Kommission, um so einen Think Tank zu formen, der mit der Erarbeitung alternativer Lösungsvorschläge betraut werden würde. Es ist m. E. ohnehin eine grundsätzliche Schwäche der institutionellen Strukturen auf der europäischen Ebene, dass die Europäische Kommission zwar richtigerweise das exklusive Initiativrecht hat, es aber prinzipiell nicht dazu nutzt, dem Rat und dem Europäischen Parlament jeweils alternative Vorschläge zur Entscheidung anzubieten. Es gibt immer nur einen einzigen Vorschlag der Kommission. Die leidige "Alternativlosigkeit" ist auf europäischer Ebene somit bereits institutionell verankert.
Ich teile Ihre Auffassung, dass es lächerlich ist, Griechenland müsse nur wettbe-werbsfähig werden und alles käme wieder ins Lot. Sie haben das sehr anschaulich mit dem Fußballer-Beispiel (Unterhaching-Spieler für FC Bayern) verdeutlicht. Es ist sogar noch schlimmer, weil EU und IWF im übertragenen Sinne dem ohnehin schwachen Spieler Fußfesseln angelegt haben (Austeritätspolitik) und ihn dafür schelten, dass er sich beim FC Bayern keine Mühe gibt, anständig zu laufen.
„Wettbewerbsfähigkeit“ ist überdies nicht eindeutig definiert. Beispielsweise war die deutsche Wirtschaft in der Nachkriegszeit nicht deswegen international so wettbewerbs-fähig, weil sie so effizient und kostengünstig produzierte. Vielmehr war sie wettbewerbs-fähig, weil sie „unschlagbar“ innovativ war und Erzeugnisse mit überragender Qualität anbot. Das soll nur ein Hinweis darauf sein, wie eindimensional und falsch die Debatte um die Wettbewerbsfähigkeit aktuell ist. Es ist also – wie Sie auch sagen – zumindest prinzipiell denkbar, dass Griechenland in der Zukunft einmal ein „Wirtschaftstiger“ wird, so unvorstellbar dies aktuell auch erscheinen mag. Und Sie haben Recht: Es ist definitiv auch eine Aufgabe der EU und keineswegs nur Griechenlands, wirtschaftliche Entwicklungsprozess in strukturschwachen Regionen in Gang zu setzen und es geht vor allem um die Expertise und erst dann ergänzend um finanzielle Unterstützung. Das gilt nicht nur für Griechenland, sondern für alle wirtschaftlich schwächeren Mitglieder der EU und hat absolut nichts mit dem Euro zu tun. Denn diese Aufgabe bestünde auch ohne die Währungsunion, sie ist allerdings schwerer zu lösen, weil wir eine Währungsunion haben, weil die Möglichkeit der Währungsabwertung und einer individuellen Geldpolitik entfällt.
Genau das meine ich mit meinem Hinweis, dass das bisherige Wachstums- und Entwicklungskonzept der EU, das sie im Rahmender Strukturpolitik (Strukturfonds) verfolgte, gescheitert ist. Seit über zwei Dekaden fließen Strukturfondsmittel. Dennoch sind die Mitgliedstaaten in der europäischen Peripherie extrem krisenanfällig und weisen gravierende wirtschaftsstrukturelle Schwächen auf.
Zwei Punkte bleiben noch anzusprechen:
Kapitalverkehrskontrollen
Sie sagen, es dürfe nicht sein, dass Steuergelder nach Griechenland fließen, nur damit vermögende Griechen ihr Geld in die Schweiz etc. bringen können und fordern deswegen die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen. Ich stimme Ihnen zu, dass das nicht sein darf. Aber ebenso wie Importbeschränkungen sind auch Kapitalverkehrskontrollen nicht mit dem Washington Consensus vereinbar, nachdem der IWF bei der Sanierung vorgeht. Vielleicht gibt es jedoch auch hier Möglichkeiten, das Problem innovativ zu lösen.
Marktfreiheit und Freihandel
Sie sagen, Sie seien überzeugter Free Marketer. Wenn Sie „freie Märkte“ und „freien Handel“ als Ziel in dem Sinne verstehen, dass prinzipiell Chancengleichheit für alle Akteure besteht, dann bin ich ganz bei Ihnen. Wenn Sie jedoch meinen, die Märkte würden dies aus sich selbst heraus sicherstellen oder mit anderen Worten für eine Art dynamische Machtbalance sorgen, so dass das System der Märkte und des Handels keine ewigen Gewinner respektive ewigen Verlierer produziert, dann teile ich Ihre Auffassung nicht. Denn die enorm auseinander klaffende Vermögens- und Einkommensschere inden USA sowie - weniger ausgeprägt - auch in allen anderen Staaten ist ein Resultat dieser zuletzt angesprochenen Auffassung. Es ist kein Zufall, dass – wie jüngst in einer ETH-Studie dargelegt – ein großer Teil des Welthandels heute in der Hand einer recht geringen Zahl von Konzernen liegt. Ich beschäftige mich nun schon seit über 20 Jahren mit dem Thema Märkte und Wettbewerb und weiß, dass ich mit dieser Auffassung im Widerspruch zur gängigen Auffassung stehe, Märkte seien selbstregulierend und prinzipiell effizient. Sie sind es nicht. Chancengleichheit sicherzustellen und damit auch Entwicklungschancen, ist eine Aufgabe, die gelöst werden muss. Sie löst sich unter den aktuellen Gegebenheiten auf den Märkten nicht von allein.
Viele Grüße
Stefan L. Eichner

Nachtrag:
Im Zusammenhang mit den Ausführungen im letzten Absatz möchte ich ergänzend noch auf den Aufsatz von Georg Trappe hinweisen, in dem er m. E. sehr schön herausarbeitet und veranschaulicht, was die Konsequenz sich selbst überlassener bzw. "freier" Märkte ist. Leider wird das von den Ökonomen des Mainstreams nicht realisiert und das ist Teil der Misere, in der wir gegenwärtig feststecken. Aus meiner Sicht kommt es für die Krisenbewältigung - unter anderem - ganz entscheidend darauf an, diese Erkenntnis in den Köpfen zu verankern und umzudenken.

SLE

6 Kommentare:

  1. Ausdrücke wie z. B. „Importabgaben“, „Kapitalkontrollen“, etc. sind natürlich fürchterliche Worte für Menschen, die – wie ich – sehr stark von der Denke eines Friedrich von Hayek geprägt sind. Ich kann es sogar noch fürchterlicher machen: „Einfrieren von Spareinlagen“, „Zwangsanleihen“, etc. etc.

    ABER: all das sind Dinge, die unvermeidlich werden können, wenn das Feuer am Dach stark genug wird; wenn man die Kontrolle verliert. Da spielt es dann keine Rolle mehr, gegen welches internationale Abkommen sie verstoßen.

    Aus meiner Sicht ist es ein absolutes Wunder, dass es in Griechenland bisher noch zu keinem massiven öffentlichen Bankenrun an den Bankschaltern gekommen ist. Ich hatte in den 1980er Jahren einmal miterlebt, dass die Kontrolle verloren geht (in Argentinien). Das ist keineswegs lustig und dann gibt es fast nur noch kurzfristige Notstandsgesetze. Ich habe in diesem Post (http://klauskastner.blogspot.com/2011/10/wie-wird-der-griechische-film-enden.html)versucht, das zu beschreiben.

    Es ist natürlich ein Riesenpech für Griechenland, dass es keine fähige politische Klasse hat. Papandreou hat eines der Grundgesetze des politischen Handelns in einer Schuldenkrise verletzt: die Regierung des Schuldnerstaates muss zumindest den Eindruck erwecken, dass sie die Marschrichtung vorgibt. Das kann man nachlesen/-hören bei William R. Rhodes (http://klauskastner.blogspot.com/2011/07/bill-rhodes-on-europeans.html), der seinerzeit die Schuldenkrisen der lateinamerikanischen Länder gemanagt hat. Wenn die Regierung stattdessen bei der eigenen Bevölkerung den Eindruck erweckt (bzw. – wie bei Papandreou – sogar betont), dass sie keine andere Wahl hat, als das Diktat des Auslandes zu akzeptieren, dann ist es natürlich mit öffentlichem Rückhalt vorbei. Jetzt war ich (irrtümlich) der Meinung gewesen, dass in Cannes die große Stunde des Herrn Papandreou kommen würde (http://klauskastner.blogspot.com/2011/11/mr-papandreou-mrs-thatcher-or-son-of.html). Stattdessen kehrte er wie ein begossener Pudel nach Griechenland zurück. Da ist buchstäblich Hopfen und Malz verloren.

    Dabei würde es doch so aussehen, als hätte Papandreou alle Ingredienzen für die jetzige Herausforderung: charismatisches Auftreten; diplomatische Gebarung; Intelligenz; etc. etc. Aber „leadership“ ist halt doch etwas mehr als das (http://klauskastner.blogspot.com/2011/09/papandreou-and-obama-too-soft.html). Und dann muss man sich noch folgendes auf der Zunge zergehen lassen: Papandreou kommt wie ein begossener Pudel aus Cannes zurück; bekommt kalte Füße mit dem Referendum; scheint keinen Freund mehr zu haben in Öffentlichkeit, Medien und Politik (nicht einmal in seiner eigenen Partei); und? --- Und gewinnt die Vertrauensabstimmung mit einer größeren Mehrheit als je zuvor! Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich…

    Ich hatte geschäftlich mit Institutionen wie Strukturfonds/EIB über die Jahre hinweg zu tun. Ob das für Griechenland viel bringt, wage ich zu bezweifeln, weil die Denke dieser Leute „big projects“ ist. Natürlich würde Griechenland das eine oder andere große Infrastrukturprojekt nicht schaden (man müsste aber die Auflage der 50%-igen Co-Finanzierung streichen). Aber solche Projekte sind dann auch erheblich out-sourced ins Ausland. Griechenland ist von der wirtschaftlichen Mentalität her ein Land für Klein- und Mittelbetriebe (5-500 Mitarbeiter). Auf diese Gegebenheit müsste man neue Maßnahmen abstellen (auch der Präsident des BDI hat bei Maybrit Illner eine Sprache gesprochen, die ein Klein-/Mittelunternehmer nicht versteht).

    Ich hatte einmal folgendes vorgeschlagen: man schicke eine Gruppe von süddeutschen/österreichischen mittelständischen Unternehmern auf Klausur nach Griechenland mit dem Auftrag, Maßnahmen für eine Entwicklung der griechischen Wirtschaft zu erarbeiten. Ich bin überzeugt, dass da schon nach nur wenigen Tagen sehr viel Brauchbares herauskommen würde!

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  2. Eine der Ursachen des Problems ist systemimmanent und skaleninvariant. D.h. es manifestiert sich auf der Ebene der Individuen, auf der Ebene der operativen Einheiten mit P&L Verantwortung, auf der Ebene der Firmen und Konzerne, wie auch auf der Ebene der Staaten immer gleich.
    Ingenieure benutzen das Paretoprinzip aka 80/20 Regel bei der Bestimmung der Prioritaeten, mit der sie die Ursachen von Problemen angehen. D.h. bei einem Produktionsprozess, dessen Output Qualitaetsprobleme hat, wird zunaechst untersucht, welche Ursachen welchen Anteil am Problem haben. Oft stellt es sich so dar, das 20% der Ursachen fuer 80% der Probleme verantwortlich sind. Wenn es so ist, ist es vernuenftig diese Verteilung einzuebnen, indem man sich mit Prioritaet diesen 20% zuwendet und diese behebt oder in ihrer Wirkung abmildert.

    In der Wirtschaft/Politik und das beginnt im Marketing, Vertrieb und endet bei den Banken und den Wirtschaftpolitikern wird das Paretoprinzip falsch verstanden und in einer fatalen Weise zur Anwendung gebracht.
    Oft ist es so das 20% der Kunden 80% des Umsatzes machen.
    Diese "Topkunden" werden gehegt und gepflegt, waehrend die Mehrheit vernachlaessig wird. Das fuehrt dazu, dass nicht nur hochriskante Abhaengigkeiten entstehen, die frueher oder spaeter unberrschbar werden (auch in Zeiten von CDS;-), sondern auch gesundes, frisches Erneuerungs-/ Wachstumspotential, was zur Erhaltung einer qualitativen Entwicklung der Wirtschaft oder der Firma notwendig ist, hoffnungslos verdorrt.
    Die fatale Wirkung dieses "Missverstaendnisses" habe ich nochmal in einem leicht nachvollziehbarem Beispiel illustriert.

    http://www.blogger.com/blogger.g?blogID=3150297915655363488#editor/target=post;postID=5590618204659833794

    Seine Existenz ist belegt. Z.B. hier:
    http://ftp.iza.org/dp2744.pdf

    Ich hoffe es hilft aus der Loop der ewig gleichen Argumente heraus zu kommen.

    Sapere Aude!

    Georg Trappe

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  3. Teil 1:

    Ja, in der Tat fällt es schwer zu verstehen, wie Papandreou in Cannes eine so schlechte Figur machen, zuhause alles wieder über den Haufen werfen und dann die Vertrauensabstimmung gewinnen konnte.

    Dass eine Gruppe von Unternehmern aus der mittelständischen Wirtschaft in der Lage wäre, bereits innerhalb kürzester Zeit brauchbare Vorschläge für die Entwicklung der griechischen Wirtschaft zu machen, daran habe auch ich keinen Zweifel. Ihre Einschätzung, dass das Entwicklungspotenzial Griechenlands in der mittelständischen Wirtschaft liegt teile ich ebenso wie die Annahme, dass Strukturfonds und EIB zu sehr auf große Projekte fokussiert sind. Das ist allerdings das bisherige Wachstumsmodell der EU: Es fokussiert, wie Herr Trappe für die vorherrschende Denke in Politik und Wirtschaft sehr treffend beschrieben hat, die größten Umsatzträger, die "European Champions". Es ist NICHT auf die Entwickung eines - und das ist wirklich paradox - tatsächlich VORHANDENEN dynamischen Mittelstands gerichtet.

    Das ist der Knackpunkt. Und ich sehe dies im Kern auch als Erklärung für das desaströse Krisenmanagement, denn dass zielt nach meiner Einschätzung allein auf die Absicherung und Stabilisierung der größten Umsatzträger bzw. Banken. Und in dieser Situation sind sie faktisch gefangen. Sie können nicht damit aufhören, weil sie keinen Plan B haben, keine alternative Krisenstrategie, und weil damit aufzuhören den sicheren Kollaps des Systems bedeuten würde. Die Systemabhängigkeit von den wenigen größten Banken und Konzernen ist ja - von der Politik gefördert - im Zuge der Krise noch weiter gestiegen, auch wenn sie national unterschiedlich hoch ausfällt.

    Meines Erachtens müsste der mittelständisch geprägte Teil der Wirtschaft - in der GESAMTEN EU - systematisch in den Mittelpunkt gestellt werden. Das hilft jedoch NICHT im Hinbblick auf die kurzfristig dramatisch zugespitzte Lage. Sie haben, wie Sie sagen, in Argentinien erlebt, was Sie nun für Griechenland befürchten. In diesem Punkt vertraue ich auf Ihre Erfahrung und Ihr Einschätzungvermögen als Experte auf diesem Gebiet.

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  4. Teil 2:

    Zum Abschluss möchte ich noch kurz auf Ihre E-Mail von heute Morgen eingehen und zunächst den Link zu dem interessanten Artilkel über die frühe Warnung des IMF vor der Griechenlandkrise in der New York Times angeben, so dass auch andere ihn finden und lesen können:

    http://www.nytimes.com/2011/11/06/business/global/europes-two-years-of-denials-trapped-greece.html?_r=1&pagewanted=1&ref=global-home

    Dass der IWF gewarnt hat und diese Warnungen in den Wind geschlagen worden sind, ist offensichtlich ein Fakt. Die Frage ist, warum? Die NYT bietet eine absolut interessante und lesenswerte Erklärung an. Sie ist schon deswegen lesenswert, weil sie als Anhaltspunkt für die Sicht der europäischen Krise von jenseits des Atlantiks aus angesehen werden kann.

    Nach dem ersten Lesen fällt es mir persönlich schwer, sie ohne problemlos zu schlucken. Sie sieht beispielsweise in Trichet einen Hauptverantwortlichen, sagt aber nichts über die Motive für sein Handeln. Ist der Mann einfach nur stur gewesen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Und soweit ich informiert bin, hat sich auch Jürgen Stark öffentlich massiv gegen jede Form von Umschuldung gesperrt. In dem NYT-Artikel wird auch mit keiner Silbe auf die Rolle der Ratingagenturen eingegangen. Immerhin haben sie mit ihren Top-Ratings für - wie sich später zeigte - toxische Papiere erheblich zur Hypotheken- und letztlich zur Finanzkrise beigetragen. Ihre Ratings sind insofern nicht über jeden Zweifel erhaben. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass die europäischen Schuldenstaaten trotz drastischer Sparbemühungen und finanzieller Stützung seitens der EU fortlaufend abgeratet werden, während die USA - abgesehen vom S&P-Rating - ihre Top-Bonitätsnote behalten haben, obwohl de facto bis heute absolut nichts gegen die weiter ansteigende Verschuldung unternommen worden ist. Es ist auch nicht wirklich nachvollziehbar, wieso Großbritannien seine Top-Bonitätsnote behalten hat und auch der Ausblick auf positiv gesetzt bleibt. Denn bereits jetzt zeigt sich als Folge des drastischen Sparpakets, dass die britische Konjunktur in einen Nosedive übergeht und das, obwohl das harten Sparen noch gar nicht angefangen hat.

    Ganz stimmig erscheint mir die Erklärung des NYT-Artikels also nicht.

    Grüße
    SLE

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  5. @ Georg Trappe

    "Das fuehrt dazu, dass nicht nur hochriskante Abhaengigkeiten entstehen, die frueher oder spaeter unberrschbar werden (auch in Zeiten von CDS;-), sondern auch gesundes, frisches Erneuerungs-/ Wachstumspotential, was zur Erhaltung einer qualitativen Entwicklung der Wirtschaft oder der Firma notwendig ist, hoffnungslos verdorrt."

    Ja, genau darauf läuft es hinaus. Das existierende Erneuerungs-/Wachstumspotenzial verdorrt oder liegt doch zumindest brach. Angesichts der sich weiter zuspitzenden Krise ist das ebenso paradox wie grotesk. Da wird entweder der Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen oder als solcher nicht akzeptiert, weil er aus jungen Nadelbäumen besteht und nicht aus uralten deutsche Eichen, die man retten will, aber nicht zu retten vermag.

    Viele Grüße
    SLE

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  6. Tja, die Dinosauriere sind schon lange vom Planeten verschwunden. Die Amoeben gab es weit vor ihnen und auch heute noch in erheblicher Anzahl. Man koennte daraus etwas lernen, wenn man wollte. Z.B. das Vielfalt ein unschlagbares Ueberlebenskonzept ist, Groesse hingegen zwar imposant, aber nicht von Dauer ist. Eine Gesellschaft, die ueber die Moeglichkeiten verfuegt, wie es die unsere tut, steht damit vor der Aufgabe, wenn sie ihr Ueberleben sichern will, die Strukturen und Hierachien, die sich zwangslaeufig entwickeln, so zu gestalten, dass sie dauerhaft tragfaehig sind.
    Dauerhaft und tragfaehig sind aber leider statische Begriffe. Es muss also viel besser lebensfaehig und ueberlebensfaehig heissen. D.h. man muss der Tendenz zur Groesse, Verkrustung und Statik entgegenwirken um die Sache lebendig zu halten. Und man muss einen zivilisierten Weg finden alternde, kranke und absterbende Strukturelemente, auch dann wenn sie in der Hierachie weit oben stehen und zuvor wertvolle Dienste geleistet haben, wuerdevoll aber ohne Gefaehrdung des Ganzen sterben lassen zu koennen. Das sind Prinzipien, die im Grunde jeder Kultur innewohnen. Der Unkultur des schieren Geldmachens neoliberaler Praegung sind solche Gedanken aber fremd. Das ist sehr kurzsichtig und und zunehmend lebensfeindlich.

    Viele Gruesse
    GT

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