Dienstag, 3. April 2012

Portugal auf Griechenland-Kurs oder: die EU und der Eisberg


Arbeitslosigkeit auf 15 Prozent gestiegen, Jugendarbeitslosigkeit auf rund 35 Prozent, 150.000 Menschen haben 2011 mangels Jobperspektive das Land verlassen, laut Prognosen wird die Wirtschaft dieses Jahr um über drei Prozent schrumpfen, Unternehmens- und Privatinsolvenzen nehmen zu. (1)
Das ist nicht die Beschreibung der Wirtschaftslage Griechenlands. Nein, es ist die Beschreibung der Situation in Portugal, das zwar ebenso wie Griechenland Finanzhilfen der EU und des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen musste, das aber ganz eindeutig keine Misswirtschaft betrieben hat, kein gravierendes Korruptionsproblem und zudem auch eine bessere wirtschaftliche Substanz als Griechenland hat. Wieso also steuert Portugal auf dieselben Probleme zu?
So wie Griechenland wurde auch Portugal zu einem drastischen Sparkurs verpflichtet und zwar mit dem Ziel, den Staatshaushalt zu sanieren. Tatsächlich hat sich die wirtschaftliche Lage in beiden Staaten dramatisch ver-schlechtert – zuerst in Griechenland, jetzt in Portugal. Dasselbe spielt sich aber auch anderswo ab, etwa in Spanien, wo die Haushaltsmisere gleichfalls mit drastischen Sparmaßnahmen bekämpft wird, obwohl das Land (noch) keine Finanzhilfen benötigt und insofern nicht unter einem vergleichbaren Sparzwang von außen steht.
In Anbetracht der verabreichten „Medizin“ und der gleichartig verlaufenden Entwicklung in den unterschiedlichen europäischen Krisenstaaten gibt es unter dem Strich nur eine wirklich schlüssige Erklärung für die gravierende Verschlechterung der Lage in diesen Krisenstaaten: das einseitige und offensichtlich unausgewogene austeritäts-politische Konzept wirkt krisenverschärfend.
Das bedeutet nicht, dass keynisianisches „deficit spending“, sprich Konjunkturprogramme die sinnvolle oder schlicht bessere Alternative darstellen. Keineswegs. Vielmehr muss auf europäischer Ebene endlich zur Kenntnis genommen werden, dass ernste wirtschaftsstrukturelle Probleme vorliegen, die weder durch einseitige, wirtschaftsliberale Austeritätspolitik noch durch undifferenziertes, keynesianisch motiviertes Fluten der jeweiligen Wirtschaft mit Geld gelöst werden können. Die Lösung kann nur in einem auf die jeweiligen wirtschafts-strukturellen Probleme abgestimmten, differenzierten Konzept bestehen, das Sparen an den richtigen Stellen und intelligente Entwicklung tragfähigerer wirtschaftlicher Strukturen miteinander verbindet. Ansonsten wird es teuer und endet in einem Desaster.
Warnende Stimmen, die dies anmahnen, gibt es zur Genüge. Die Verantwortlichen auf europäischer Ebene und bei den beteiligten Institutionen können diesen negativen Zusammenhang zwischen einseitigem Sparen und sich verschärfender wirtschaftlicher Talfahrt nicht unbegrenzt ignorieren. Das wäre fatal – nicht nur unter Kostenge-sichtspunkten. Denn die sich fortlaufend verschlechternde wirtschaftliche Situation in mittlerweile einigen europäischen Krisenstaaten wird immer stärker auch den Rest der europäischen Union wirtschaftlich wie finanziell belasten.
Wann der Punkt erreicht ist, an dem man mit Blick auf die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität der gesamten Euro-Zone nicht mehr länger die Annahme aufrecht erhalten kann, der Sparkurs führe wie ein homöopathisches Medikament nach anfänglicher Verschärfung der Probleme schließlich zur Gesundung von Staatshaushalten und der Wirtschaft, wird niemand sagen können. Ganz abgesehen davon produziert der eingeschlagene Kurs aber auch drastische Nebenwirkungen, nämlich massive soziale Spannungen, die eine sehr ernst zu nehmende Gefahr für den sozialen Frieden und die Kohäsion Europas darstellen.
Der europäische Krisenkurs ist folglich hoch riskant. Es ist eine Frage der Lernfähigkeit und Flexibilität Europas, die Dimension des Risikos richtig einzuschätzen, es rechtzeitig wirksam zu begrenzen und zu reduzieren, was im Grunde nichts anderes bedeuten kann, als rechtzeitig einen Kurswechsel vorzunehmen.
Danach sieht es gegenwärtig nicht aus und das ist ein Anlass zur Besorgnis. Es gibt eine Eisberg-Warnung, aber das Schiff namens „EU“ behält Kurs und Geschwindigkeit bei .... 

2 Kommentare:

  1. Auch in Lissabon ist die Arbeitslosigkeit das Hauptproblem. Sie stieg im Februar auf 15 Prozent, nicht zuletzt als Folge der harten Sparmaßnahmen. Doch die EU-Kommission, die die Kürzungen mit zu verantworten hat, zeigte sich überrascht, wie der EUobserver meldet. Offenbar versteht sie weder die ökonomischen Folgen ihrer eigenen Politik - noch die eigenwillige Logik der Märkte.
    http://lostineurope.posterous.com/die-markte-spielen-nicht-mit

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  2. Ja, das ist schon sehr merkwürdig.

    Grüße
    SLE

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