Die USA und – mit Angela Merkel an der
Spitze – die EU drohen Russland mit härteren Sanktionen, sollte es seinen Kurs
in der Krim-Krise nicht ändern. Die Intervention Russlands in der Ukraine, vor
allem die massive Ausweitung der militärischen Präsenz auf der Krim, wird
verurteilt. Eine Annexion der Krim werde nicht akzeptiert, heißt es aus dem
Westen, wobei stillschweigend davon ausgegangen wird, dass die
Abspaltungsbemühungen der Krim und das für den 16. März geplante
Referendum darüber von Russland ausgehen. Aus diesem Grund sind jetzt seitens
der EU härtere Sanktionen gegen Russland für Montag, den 17. März angekündigt
worden.
Es ist fraglich, ob dies Russland zum
Umdenken bewegen wird. Schon vor Tagen, nach dem Treffen in Paris, hatte der
russische Außenminister Sergej Lawrow gesagt, Drohungen wären keine geeignete
Basis für diplo-matische Lösungen. Zudem gibt es noch allzu viele ungeklärte
Fragen.
Ungeklärte Fragen
Da sind einmal die unaufgeklärten Morde durch
Scharfschützen auf dem Maidan und offene Fragen gibt es auch bezüglich der politischen
Absichten und Fähigkeiten der neuen Interimsregierung, ihrer verfassungsrechtlichen
Legitimität sowie nicht zuletzt der demokratischen Gesinnung zumindest eines
Teils ihrer Mitglieder.
Es wirkt in jedem Fall mehr als
befremdlich, dass etwa die im griechischen Parlament vertretene rechtsextreme
Partei „Golde Morgenröte“ von Politikern aller führenden Parteien in der
Europäischen scharf verurteilt und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln
bekämpft wird, es in der Europäischen Union jedoch offensichtlich keinerlei
Vorbehalte gegen die ukrainische Interims-Regierung gibt. Denn die
rechtsextreme Swoboda stellt im neuen Kabinett in Kiew mehrere Minister, einen
Vizepremier und den Generalstaatsanwalt Oleg Machnitzkij, der vor ein paar
Jahren seinen Parteivorsitzenden Oleg Tjagnibok als Anwalt vor Gericht vertrat,
als dieser wegen einer Hetzrede gegen die "Moskauer jüdische Mafia"
angeklagt war. (1)
Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich
auch die wichtige, aber bisher nicht geklärte Frage, ob und wie sicher-gestellt
werden soll, die Interessen und Belange der auf der Krim und in der übrigen
Ukraine lebenden Russen angemessen am politischen Neuanfang des Landes zu
beteiligen.
Es ist hingegen keine Frage, dass die
Russen in der Ukraine wegen der politischen Umwälzungen in Kiew und den
anti-russischen Tönen, die die Interims-Regierung anschlägt, nicht nur
verunsichert, sondern besorgt sind.
Und was ist mit der Bekämpfung des
massiven Korruptionsproblems in der ukrainischen Politik? Geht es überhaupt
noch darum?
Inwieweit sich die Interessen all
derjenigen, die auf dem Maidan gegen Janukowitsch und die Korruption
demon-strierten, in der Arbeit der neuen Übergangsregierung widerspiegeln, ist
eine Frage, die von niemandem im Westen gestellt zu werden scheint. Es wäre sicher
nicht das erste Mal, wenn die Früchte einer breiten Protest-bewegung von anderen
geerntet werden und am Ende nur eine korrupte Regierung durch eine andere
ersetzt wird. Bulgarien ist dafür ein gutes Beispiel.
Doppelmoral
Es erscheint also zumindest ein gewisses
Maß an Skepsis und Zurückhaltung gegenüber den neuen Macht-habern in Kiew
angebracht. Doch über all das geht der Westen, das heißt die USA, die G7 und
die Europäische Union, hinweg. Demonstrativ wird die Übergangsregierung in Kiew
vom Westen als Musterbild einer legitimen und demokratischen Regierung in Szene
gesetzt und herumgezeigt, nur um in der Krim-Krise der Drohkulisse gegenüber
Russland noch mehr Nachdruck zu verleihen und der Weltöffentlichkeit
unmissverständlich klar zu machen, wen man in Sachen Ukraine und Krim für den
Schuldigen hält.
Doch auch das ist eine Inszenierung – und
schlecht gemachte noch dazu.
Immer wieder stellt US-Außenminister John
Kerry heraus, dass die USA es nicht erlauben kann und wird, dass die
Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine verletzt werden. Und
anlässlich des Empfangs des ukrainischen Premier Arsenij Jazenjuk im Weißen
Haus sagte Präsident Barack Obama jetzt: "Wir werden der russischen Regierung immer wieder sagen, wenn sie so
weiter macht, dann werden wir und die internationale Gemeinschaft, die EU und
andere, gezwungen sein, diesen Bruch internationaler Gesetze für Russland teuer
zu machen.“ (3)
Doch das Problem dabei ist erstens, dass gar
nicht eindeutig geklärt ist, ob die Entmachtung von Präsident Janukowitsch
durch das ukrainische Parlament durch die ukrainische Verfassung überhaupt
gedeckt war. (4) Russland jedenfalls erkennt die Regierung Jazenjuk nicht an. Für
Moskau ist Janukowitsch noch immer der rechtmäßige Präsident der Ukraine.
Zweitens wird etwa auch in Deutschland
registriert, dass es selbst in den USA im Zusammenhang mit der Krim- Krise eine
Diskussion über die Doppelmoral der US-Regierung gibt (5) (6), weil Washington
in der Rückschau keineswegs eine klare außenpolitische Linie gegenüber
Unabhängigkeits- bzw. Abspaltungsbestrebungen von Regionen verflogt hat: Tschetschenien
– nein, Osttimor – ja, Abchasien – nein, Kosovo – ja, Südsudan – ja, Palästina
- ? (7) Außerdem haben die USA selbst schon oft genug in anderen Ländern
militärisch interveniert und tun es immer noch, etwa mit Drohnen in Pakistan
oder dem Jemen mit der rechtlich umstrittenen Begründung der Terrorbekämpfung.
Und was ist mit der Massenüberwachung durch die NSA? Alles rechtmäßig!?
Was internationales Recht ist, ist eine
Sache, seine Auslegung eine andere und wer die Medien auf seiner Seite hat, der
hat nicht automatisch auch das Recht auf seiner Seite. Die US-Regierung
beschädigt sich gerade selbst.
Es geht nicht um die Interessen der Ukrainer
Damit keine Missverständnisse aufkommen:
Das soll hier kein Rechtfertigungsversuch von Russlands Vorgehen in der Ukraine
sein. Aber einseitig gewisse Tatsachen und Fakten unter den Tisch fallen zu
lassen, um eine Drohkulisse gegenüber Moskau aufbauen und über die Medien
gegenüber der Öffentlichkeit legitimieren zu können und das Ganze dann als „diplomatische
Bemühungen“ um die Ukraine zu verkaufen, das ist auch nicht der richtige Weg.
Vor allem aber kann das nicht zum Erfolg führen, jedenfalls nicht im Sinne der
Bevölkerung der Ukraine.
Auf diese Weise wird lediglich
verschleiert, dass sowohl die USA als auch die Europäischen Union in der
Ukraine an erster Stelle eigene politische Interessen verfolgen. Es sind
allerdings nicht exakt dieselben. Die Ukraine grenzt an die Europäische Union
und die Ost-Erweiterung der EU hatte immer zwei wichtige Motive: die
Erschließung neuer Märkte für die europäischen Unternehmen und die politische
Unabhängigkeit dieser Staaten von Russland. Für die USA geht es um die
Ausweitung des eigenen politischen und militärischen Einfluss-bereiches in einem
Land, das unmittelbar an der Grenze zu Russland liegt und das für Moskau von strategischer
Bedeutung ist. Den USA geht es dabei um Russland. Es ist ein politisches
Kräftemessen, bei dem Moskau zuletzt Boden gut gemacht hat.
Die Europäische Union hat die Chance einer Vermittlerrolle verspielt
Bedauerlich dabei ist, dass die
Europäische Union im Falle der Ukraine-Krise ihre Chancen verspielt hat, eine
von den USA, die natürlich immer nur ihre eigenen Interessen verfolgen, unabhängige
europäische Position zu entwickeln. Sie war in Bezug auf die Ukraine nie
unparteiisch. So reiste etwa schon der damalige deutsche Außenminister Guido
Westerwelle nach Kiew und stellte sich demonstrativ auf die Seite der
Protestierenden gegen die Regierung Viktor Janukowitschs.
Die EU hat es von Beginn an versäumt, in
glaubwürdiger Weise den Interessen des russischen Teils der Bevöl-kerung Rechnung
zu tragen und Russland einzubeziehen. Stattdessen wirkt die EU jetzt in ihrer
Einigkeit in der Krim-Krise eher wie der verlängerte außenpolitische Arm der
US-Regierung. Genau deswegen dürfte es schwer werden, Russland zum Einlenken zu
bewegen und in absehbarer Zeit einen Kompromiss zu erreichen, mit dem alle
beteiligten Parteien und vor allem die Ukrainer leben können. Zweifelt im
Übrigen irgendjemand daran, dass die überwiegend russische Bevölkerung auf der
Krim-Halbinsel beim anstehenden Referendum am 16. März für die Autonomie oder
für einen Anschluss an Russland stimmen wird? Vladimir Putin braucht nichts
dafür zu tun. Die Voraussetzungen dafür haben der Westen und die
Übergangsregierung in Kiew mit einseitiger Interessen-politik und mit einer anti-russischen
Rhetorik geschaffen, die der Westen „Diplomatie“ nennt.
Die unkalkulierbaren Risiken einer möglichen Sanktionsspirale
Wenn die Europäische Union ihre
Ankündigung wahr macht und aus diesem Anlass am 17. März die vereinbarten
schärferen Sanktionen gegen Russland verhängt, dann könnte das in einen
Sanktionsspirale münden. Wer dabei mehr zu verlieren hat, das ist die völlig falsche
Frage und zwar nicht nur deswegen, weil letztlich alle dabei verlieren werden. Die
Stabilität der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte ist ohnehin fragil. Ist sie
stabil genug, um die aus einer Sanktionsspirale resultierenden Konsequenzen zu
verkraften?
Vor allem aber könnten Sanktionen in
letzter Konsequenz auch zu einem noch engeren Schulterschluss zwischen Russland
und China sowie anderen Schwellenländern führen. Die Dominanz der USA in
internationalen Gremien, Institutionen – nicht zuletzt auch beim IWF und der
Weltbank – und Prozessen, ist ihnen politisch gesehen schon lange ein Dorn im
Auge. Sie sehen ihre Interessen und Belange dort nicht ausreichend
berück-sichtigt. Geändert hat sich trotzdem nichts.
Eine Sanktionsspirale könnte dazu führen,
dass die bisher eher halbherzig von den BRICS-Staaten vorange-triebenen
Bestrebungen einen eigenen Block mit eigenen Institutionen und Prozessen
Wirklichkeit werden zu lassen, energischer vorangetrieben werden. Die
Europäische Union säße dann am Ende möglicherweise zwischen allen Stühlen. Kompromissangebote an Russland scheinen aus europäischer Sicht der bessere Weg zu Lösungen zu sein.
Aber vielleicht gelingt es ja doch,
Präsident Putin mit vereinten Kräften in die Knie zu zwingen. Nur ist unklar,
inwieweit der Ukraine damit geholfen ist. Die Ukraine ist wirtschaftlich und
finanziell abhängig. Moskau kann sein Militär von der Krim wieder abziehen,
ohne den Schwarzmeerhafen aufgeben zu müssen, weil es einen langfristigen
Vertrag gibt. Und Moskau kann der Ukraine jederzeit den Geld- und Gashahn
zudrehen.
Dann dürfte es teuer werden für die EU und
bitter für die Bevölkerung, sobald die Troika dort ihre Arbeit aufnimmt.
1) RUS macht das, was alle anderen auch machen: "Interessen" wahren - und schraubt ander Ukraine/Krim 'rum
AntwortenLöschen2) Drohung und Gegendrohung
3) Sanktionen
4) RUS schließt die Krim an - die Krim schlißt sich RUS an (egal wie rum)
5) Was wird jetzt aus den Sanktionen?? Wie kommt man wieder runter von dem Pferd?
Quintessenz: Arschlöcher unter sich!
Was sind die waren Gründe der Reaktion des Westens?
AntwortenLöschenEgal wie man dieses Referendum bewerten will. Die hohe Wahlbeteiligung der Bevölkerung spricht dafür, dass dieser Anschluß an Russland nicht gegen den Willen der Bewohner der Krim passierte. Ein Völkerrechstbruch ist also kein überzeugendes Argument.
Die Liste der Völkerrechtsbrüche der Sanktionierenden, allen voran der USA, ist weit länger als mein Arm. Die Besetzung Guantanamos ist ein mehrfach international verurteilter Völkerrechtsbruch (Seit bald 100 Jahren). Die Überwachungsmaßnahmen der NSA, die Folterkeller, die Entführungen durch die Geheimdienste, die Drohnenangriffe, die Kriege gegen Afgahnistan und den Irak .... Das Völkerrecht wird nur dann ernst genommen wenn es einem grade in den Kram passt.
Ein wesentlich wichtigerer Grund ist sicherlich die Angst vor einem Präzedenzfall. Noch größer als das Interesse Putins an der Krim ist wahrscheinlich das an einer Wiedereingliederung der Enklave Kaliningrad durch den "Anschluss" Lettlands und Litauens. Weißrussland könnte ebenfalls ein Ziel einer Ausbreitung nach Westen sein. Dieses Szenario ist nicht völlicg ausgeschlossen.
Natürlich ist das Schwarze Meer ein umkämpftes Gebiet. Für die (Wirtschafts) Interessen (der Ölkonzerne) des Westens ist eine militärische Vormachtsstellung Russlands am Schwarzen Meer nachteilig. Es war aber völlig unrealistisch anzunehmen, dass Russland den Hafen Sewastopol aufgeben würde auch wenn der Pachtvertrag mit der Ukraine 2017 auslaufen würde.
Die Sanktionen dienen auch dem Aufbau einer internationalen Bedrohungskulisse. Sowohl Russland als auch die USA und die Nato Verbündeten scheinen ein Interesse an einer solchen Bedrohungskulisse zu haben, bzw. keinerlei Bedenken gegen eine solche zu hegen.
Offenbar ist dieser permanente latente Kriegszustand förderlich für die Aufrechterhaltung hegemonialer Macht. Scheinbar ist dieser Zustand auch förderlich für die Rüstungsindustrie, den Sicherheitskomplex und die Ölkonzerne.
Das letzte Argument scheint mir das Bestimmende, wenn auch sicherlich alle eine Rolle spielen. Auf jedenfall sehen wir die Welt weiterhin in einen Kampf um die verbleibenden Ressourcen verwickelt der sich sicherlich noch verschärfen wird.
Das die Sanktionsspirale keinem wirklich geholfen hat bzw. der EU und Russland bisher nur Schaden gebracht hat steht ja mittlerweile fest. Eine Aussicht auf eine Entschärfung konnte mit den Sanktionen auch nicht verbessert werden. Fest steht auch, dass es am Ende wieder verdammt teuer wird für den Steuerzahler in der EU, denn die aktuelle Finanzlage der Ukraine verschlechtert sich ja mit jeder Meldung darüber.
AntwortenLöschenRichtig teuer wird die Sanktionsspirale für Deutschland und die EU erst dann werden, wenn die Neuausrichtung der russischen Wirtschaft und vor allem der Gas- und Öllieferungen voll zum Tragen kommt. Das wird noch eine Weile dauern, aber nachhaltige Wirkung haben, nicht zuletzt was die Energiepries anbelangt.
LöschenEuropa hat wenigstens mittelfristig keine Möglichkeit, für die Energie, die es aus Russland bezieht, einen Ersatz zu finden. Russland wiederum hat jetzt langfristige Verträge mit China abgeschlossen und will die Energieleferungen auch in andere Länder im asiatischen Raum ausweiten, u.a. nach Südkorea.
Sollte die EU folglich die Energieabhängigkeit von Russland nicht effektiv und signifikant reduzieren, was u.a. angesichts des nur halbherzigen Ausbaus Erneuerbarer Energien zu befürchten steht, dann dürfte dies m.E. dazu führen, dass die Energie, die wir von dort beziehen, erheblich teurer werden dürfte. Denn gegenwärtige Verfall der Ölpreise kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass fossile Energien knapper werden und zudem immer teuerer zu fördern sind. Der Preissturz hat, wie zu betonen ist, rein strategische Gründe und der Ölpreis wird gewiss nicht sehr lange auf dem aktuellen niedrigen Niveau bleiben.
Viele Grüße
SLE