Ende 2009 begann das Schuldendesaster in
Griechenland seinen Lauf zu nehmen. Seitdem ist viel unternommen, aber nichts
gelöst worden. Im Gegenteil, die Schulden- und Wirtschaftskrise hat sich auf
immer mehr EU-Mit-gliedstaaten ausgeweitet und vertieft. Eine gewisse
Harthörigkeit gehört deswegen schon dazu, in der – vielleicht gerade deswegen –
scheinbar unendlichen Geschichte der europäischen Schulden- und Wachstumskrise
immer wieder dieselben, wenig erfolgversprechenden Maßnahmen durchzudiskutieren.
Jetzt sind es also wieder einmal – wie schon
im Spätsommer 2011 – die Euro-Bonds, die am Mittwoch zum bestimmenden Thema des
EU-Gipfels gemacht werden sollen. Von den einen werden sie als der
Befreiungs-schlag in der Schuldenkrise angesehen. Von anderen werden sie dagegen
mit Blick auf die von ihnen favorisierte Sparpolitik als kontraproduktiv oder,
wie jetzt von der spanischen Regierung (1), angesichts der drängenden
finanziellen Probleme schlicht als kurzfristig nicht erfolgversprechend
eingestuft.
An diesem Punkt ist es angebracht inne zu
halten und sich einige, damals wie auch aktuell wichtige Punkte klar vor Augen
zu führen:
1. Nach den bisherigen Erfahrungen ist es
eine wenig begründete Hoffnung, Euro-Bonds könnten dem Druck der Finanzmärkte
standhalten.
Warum sollte das so sein? Die Finanzmärkte
- assistiert von den Ratingagenturen – haben jede Maßnahme und jeden Aufwand
und Betrag, der für die Stabilisierung der EU-Schuldenstaaten und des Euros
gesetzt wurde, bereits nach kurzer Zeit "geknackt" bzw. als
"nicht ausreichend" bewertet mit der Folge, dass Risikoprämien und
Zinsen für Staatsanleihen der jeweils betroffenen Staaten immer noch weiter
nach oben kletterten.
Wenn sich diese Hoffnung - denn mehr ist
es nicht - als Irrtum erweist, dann wäre die Euro-Zone als Ganzes plötzlich in
Bedrängnis und nicht mehr nur einzelne Schuldenstaaten. Und wenn es sie einmal
gibt, die Euro-Bonds, und sie erweisen sich wie auch die Währungsunion, als problematisch,
weil wieder einmal die notwendigen Vorbedingungen nicht erfüllt wurden - im
Falle der Währungsunion, war das die politische Union -, dann lässt sich dieser
Schritt wohl kaum noch revidieren. Das kann niemand wollen.
2. Ein solcher Schritt wäre auch vor dem Hintergrund
der bisherigen wirtschaftspolitischen Kopf- und Konzeptionslosigkeit der
EU-Staats- und Regierungschefs in der EU-Schulden- und Wirtschaftskrise
schlicht sachlich nicht zu rechtfertigen.
Europa stolpert über die eigenen Füße und
durch die Krise - so stellt sich die Situation seit langem dar. Gut durchdachte,
ausgereifte und überzeugende Lösungsansätze sind dringender denn je nötig. Doch
es gibt sie offensichtlich immer noch nicht. Stattdessen werden immer neue Säue
oder, weil das Reservoir plakativer Lösungsschlagworte langsam erschöpft zu
sein scheint, von Zeit zu Zeit einfach dieselben Säue erneut durchs europäische
Dorf gejagt.
Es kann nicht funktionieren, ständig den
zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten tun zu wollen. Und Euro-Bonds sind gegenwärtig
zumindest ganz eindeutig nicht der
erste notwendige Schritt zur Lösung!
Der erste Schritt ist in jedem Fall, die
Finanzmarktregeln endlich so zu verändern und anzupassen, dass Spekulation und
das Eingehen von Risiken transparenter werden und nur noch innerhalb gesunder
Grenzen möglich sind.
Die politische Praxis kosmetischer Regeländerungen,
weil man die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Finanzindustrie
nicht beeinträchtigen, andererseits aber dem Bürger Handlungsfähigkeit demon-strieren
und "Erfolge" liefern will, ist nicht länger tragbar. Sie kommt einem
beständigen Wegducken vor der Verantwortung gleich. Um Ausreden sind Politiker
nie verlegen – der G8-Gipfel in Camp David ist dafür nur das jüngste
Paradebeispiel.
Andere Regeln allein werden allerdings für
stabile, voll funktionsfähige Finanzmarktstrukturen sehr wahrscheinlich nicht mehr
ausreichen. Die systemrelevanten Großbanken sind nur „systemrelevant“, weil
eben dieses, von Großbanken geprägte System prinzipiell instabil und nur noch eingeschränkt
funktionsfähig ist. Der aktuelle Fall des Spekulationsverlustes von JP Morgan,
der von manchen auf mittlerweile sechs Milliarden Dollar geschätzt wird (2),
ist lediglich ein weiteres, alarmierendes, aber nichtsdestotrotz nach wie vor
ignoriertes Signal für Notwendigkeit, etwas gegen die Gefahr, die von
Großbanken ausgeht, zu unternehmen. Das Klumpenrisiko ist immens.
Was nötig ist, ist ein anderes System und
das bedeutet ein kleinteiligeres System, das nicht von wenigen Großbanken und
Finanzmarkt-Spielern abhängig ist, die aufgrund ihrer Bilanzsumme im Ernstfall
ganze Staaten in den Abgrund reißen können. Mit diesem Umbau muss begonnen werden.
Das fällt mit unter den ersten Schritt. Denn es kann nicht angehen, Großbanken
zum Preis weiter ansteigender Staatsverschuldung retten und das daran hängende irreparable
System erhalten zu wollen und die daraus direkt oder indirekt resultierenden Lasten
den Bürgern aufzubürden.
Der zweite und längst überfällige Schritt
ist, endlich ein tragfähiges Wachstumskonzept oder genauer gesagt ein
tragfähiges Konzept der wirtschaftlichen Entwicklung für die EU als Ganzes zu
entwickeln. Ich habe das an anderer Stelle ausführlich
thematisiert (3) (4) (5) (6) (7). Denn der EU ist die „Wachstumsstory“
abhandenge-kommen! Anstatt Euro-Bonds aufzulegen, sollte die EU den
Finanzmärkten jetzt besser eine gute Wachstums- oder besser Entwicklungstory präsentieren.
Das wäre mit Sicherheit wirksamer.
Wenn diese beiden Punkte aufgearbeitet und
entsprechende Schritte vorbereitet worden sind, dann macht es Sinn über veränderte
oder zusätzliche Finanzierungs- und ggf. Transfermechanismen zu beraten. Und
nur zur Erinnerung: Eine Transferunion haben wir bereits seit drei Dekaden,
nämlich in Form der EU-Struktur- und Kohäsionspolitik, die nach der
Agrarpolitik der zweitgrößte Ausgabenposten im EU-Haushalt ist!
Wenn schon Regierungspolitiker die Bankster regelrecht zum Zocken einladen, indem sie ihnen signalisieren:
AntwortenLöschen„Also, liebe Bankster, ihr könnt ruhig das Blaue vom Himmel herunter zocken. Falls ihr euch verzocken solltet, braucht ihr euch keine Sorgen zu machen, dann haftet auf jeden Fall der Steuerzahler!“
Da muß man sich doch die Frage stellen, ob die Vertreter der hohen Regierungspolitik wirklich so dumm sein können, das nicht zu erkennen, um dann auch gezielt etwas dagegen zu tun. Für mich sieht es eher so aus, daß Regierungspolitiker keineswegs so souverän entscheiden können, wie sie allenthalben vorzugeben sehr bemüht sind.
Auch das Ergebnis des aktuellen EU-Sondergipfels glaube ich bereits jetzt schon zu kennen:
Man wird mal wieder einen Schritt in die richtige Richtung vorangekommen sein!
Hans B.
Damit haben Sie gewiss Recht. Es ist schwer vorstellbar, Politiker seien sich dieser Dinge nicht bewusst. Insofern lässt dies eigentlich nur die Schlussfolgerung zu, die Sie gezogen haben.
LöschenAllerdings scheint die Entwicklung angesichts der sich verschärfenden und immer stärker auch wahrgenommenen Probleme (z. B. der von Griechenland) auf einen Punkt zuzulaufen, an dem es für etablierte Politiker nicht mehr durchzuhalten ist, den Krisenkurs unverändert - so wie von Ihnen pointiert beschrieben - beizubehalten UND Soveränität vorzuspiegeln. Sie werden ihre Glaubwürdigkeit verlieren und stattdessen werden jene gewählt, die Kursänderungen versprechen.
In Griechenland geschieht genau das - Alexis Tsipras (Syriza) Aufstieg ist der Beleg dafür. Und auch Hollande ist aus diesem grund gewählt worden. Jetzt kommt - zumindest für Hollande - der Test, inwieweit er den in Aussicht gestellten Kurswechsel einzulösen vermag.
Man darf sicher nicht allzu viel erwarten, auch in diesem Punkt stimme ich völlig mit Ihnen überein. Auf der anderen Seite sind Überraschungen möglich - positive ebenso wie negative. Unser Blick ist meist nicht so geübt darin, neue oder schlicht andere, machbare Lösungswege als solche zu erkennen. Ob Hollande oder Tsipras eine Ausnahme darstellen oder Berater haben, für die das gilt, das ist die Frage.
Grüße
SLE