Die Bundesregierung möchte den Fiskalpakt
und den European Stability Mechanism (ESM) im Paket noch vor der Sommerpause durch
den Bundestag bringen. Außerdem ist sie jetzt Kritikern im Bund und in Europa,
die den Fiskalpakt um eine Wachstumskomponente erweitert wissen wollen, mit
einem achtseitigen Konzept für Wachstum in Europa entgegengekommen. Es trägt
den Titel "Mehr Wachstum für Europa: Beschäftigung – Investitionen -
Innovationen". Darin wird unter anderem vorgeschlagen: (1)
- das Kapital der Europäischen Investitionsbank (EIB) um zehn Milliarden Euro aufzustocken, damit diese kriselnde Staaten besser mit zinsgünstigen Krediten unterstützen kann;
- eine Reform der Vergabe von EU-Fördermitteln zwecks effektiverer Förderung unter Krisenbedin-gungen und die Einführung von sogenannten Projektanleihen (Projektbonds);
- Umwidmung von EU-Geldern für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und Umlenkung von Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in den Ausbau der Aus- und Weiterbildung in Krisenländern.
Vor allem heißt es in dem Papier, dass dauerhaftes
Wachstum weder über öffentliche Ausgabenprogramme noch über den Wettbewerb
verzerrende Staatseingriffe oder eine zu expansive Geldpolitik erkauft werden
kann. Große Konjunkturprogramme werden deswegen abgelehnt. Am besten würden die
Wachstumskräfte stattdessen durch Strukturreformen
gefördert. (2) Das heißt, die Bundesregierung hält generell Reformen im Sinne
der Verbes-serung und Kostensenkung für die Wirtschaft in den Krisenländern für
erforderlich, also unter anderem Arbeits-marktreformen (z. B. Flexibilisierung
der Beschäftigungsverhältnisse, Anhebung des Renteneintrittsalters) (3).
Damit kein Irrtum aufkommt: Dies ist ein
klassischer wirtschaftsliberaler Wachstumsansatz.
Es ist insofern auch nachvollziehbar,
warum für die Bundesregierung Sparen und Wachstum kein Widerspruch ist. Sparen
ist in dieser Sicht mithin eine Konsequenz der Strukturreformen und diese sind
wiederum notwendige Voraussetzung für Wachstum. Im Umkehrschluss ergibt sich
daraus die Ursache für die Schulden- und Wachs-tumskrise in den Schuldenstaaten
und damit insbesondere auch für die Griechenlands. Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble formulierte es in einem Interview folgendermaßen:
„Wir haben es dort mit Anpassungskrisen zu tun (er bezieht sich auf Griechenland, Irland und Portugal, wo die sogenannte Troika (EZB, EU-Kommission, IWF) den Sanierungs-/Sparkurs vereinbart). Wegen einer verfehlten Finanzpolitik und unterlassener Strukturreformen schrumpfen dort jetzt die Sozialprodukte.“ (4)
Das ist eine Fehlinterpretation.
Es ist zwar durchaus richtig, dass die
Finanzpolitik in einigen dieser Staaten, das heißt insbesondere in Griechenland
und Italien, verfehlt war. In Irland, Portugal und Spanien war sie es aber
eindeutig nicht, wie die Tabelle zur Staatsverschuldung zeigt. Vor allem aber
sind in den Krisenstaaten die Staatsschulden erst mit Beginn der Finanzmarktkrise,
das heißt nach der Lehman-Pleite im September 2008, in die Höhe geschossen und
zwar:
- infolge der durch die Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise verursachten direkten und indirekten Kosten (Bankenrettung, Konjunkturprogramme bzw. Wirtschaftseinbruch und Arbeitslosigkeit) sowie später auch
- aufgrund der verfolgten und verfehlten einseitigen drastischen Sparpolitik.
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Es steht so gesehen zu erwarten, dass sich
die Debatte über den Fiskalpakt und ergänzende Wachstumsmaß-nahmen in
Deutschland sowie auf europäischer Ebene erneut als Schlagabtausch zwischen
Befürwortern keynesianisch motivierter Stimulierung und Anhängern eines
wirtschaftsliberalen Kurses darstellen wird. Am Ende des politischen
Verhandlungsprozesses könnte dann ein grotesker Mix aus Konjunktur- oder allgemein
finan-ziellen Förderprogrammen, drastischen Einsparungen (Austeritätspolitik) und
die Wirtschaft entlastenden bzw. „befreienden“ Strukturreformen stehen, der uns
und den Finanzmärkten gewiss als neue, wirksame Wunderwaffe gegen die
europäische Schulden- und Wachstumskrise verkauft werden wird, aber niemanden
überzeugen kann.
Aus gutem Grund nicht.
Denn eine gründliche, undogmatische und um
die Fehler der althergebrachten ökonomischen Erklä-rungsansätze bereinigte
Ursachenanalyse hat man sich in dem Glauben, man kenne die Probleme
doch längst, wieder einmal erspart. Die oben zitierte Aussage von Herrn
Schäuble ist dafür nur ein Beispiel. Die zornerfüllten Worte der IWF-Chefin
Christine Lagarde, die Griechen sollten sich selbst helfen und endlich ihre
Steuern zahlen (5), sind ein weiteres Beispiel dafür. Denn ihre Aussage zeigt,
dass sie die bestens dokumentierte unablässige Verschlechterung der
wirtschaftlichen und finanziellen Lage Griechenlands nicht als Zeichen
wenigstens der Unwirksamkeit des wirtschaftsliberalen Sanierungskonzeptes des
IWF zu interpretieren bereit ist. Dass sie eine falsche, dem „Patienten“
schadende „Medizin“ anwendet, wird sie schon gar nicht eingestehen wollen.
Darüber hinaus werden die Krisen in
Griechenland, Irland, Portugal und Spanien etc. als Krisen ausschließlich der
entsprechenden Länder gesehen. Das europäische Krisenmanagement war von
Beginn an entsprechend ausgerichtet und gerade auch deswegen so erfolglos.
Beides muss sich dringend ändern, wenn die
Debatte über eine Art kombinierten Fiskal- und Wachstumspakt nicht an den
Problemen Europas völlig vorbei gehen soll.
Für eine geordnete und zielgerichtete Debatte
über die Bewältigung der europäischen Krise ist die Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Problemfeldern und
Problemebenen, auf denen Lösungen gesucht werden müssen, hilfreich. Das
soll im Folgenden geschehen, wobei es sich nur um einen Vorschlag handelt und
andere Strukturierungen ebenso gut und sinnvoll sein können.
Problemfelder der europäischen Krise
Die europäische Krise ist ein Problemkomplex,
der drei Hauptproblemfelder umfasst:
- Finanzmärkte & Geld- und Währungspolitik
- Wirtschaft & Wettbewerb
- Politik & Machtstrukturen
Genau genommen gibt es also drei,
allerdings interdependente Krisen. Sie erfordern jeweils spezifische Analysen
und Lösungsansätze, die aber wegen der vorhandenen Interdependenzen in ein
abgestimmtes Gesamtkonzept eingebunden werden müssen. Es macht beispielsweise keinen
Sinn, Maßnahmen für einen fairen, wachstums-tragenden Wettbewerb und eine
prosperierende Wirtschaft umzusetzen, wenn an den Finanzmärkten weiterhin
Casino-Betrieb vorherrscht, der dies alles konterkariert. Und es macht auch keinen
Sinn, im politischen System Änderungen zu implementieren, die Korruption und
Vetternwirtschaft ausschließen und den Bürgerwillen besser repräsentieren, wenn
die Volkswirtschaft keine Entwicklungsperspektiven hat, weil die Weltmärkte
quasi ein geschlossener Club sind.
Die Überwindung der europäischen Krise -
nicht nur der Griechenlands – kann letztlich nur gelingen, wenn auf den drei
Hauptproblemfeldern die Weichen richtig,
das heißt auf Basis einer gründlichen,
undogmatischen und um die Fehler der althergebrachten ökonomischen
Erklärungsansätze bereinigten Ursachenanalyse und zeitlich richtig abgestimmt gestellt werden.
Problemebenen der europäischen Krise
Auf welchen Ebenen sind die Probleme angesiedelt
und zu lösen. Auch hier lassen sich im Wesentlichen drei Ebenen unterscheiden:
1. Ebene:
Griechenland hat spezifische eigene Probleme, die es selbst lösen muss (u. a. Korruption,
mangelhafte Verwaltungsstrukturen, Steuersystem, verkrustete politische
Strukturen). Dasselbe gilt im Prinzip für alle Krisenstaaten.
2. Ebene:
Ein zentrales Problem, nämlich das der Überwindung der Schulden- und
Wachstumskrise, ist indes überall mehr oder weniger weitgehend dasselbe oder
besser gesagt es geht nicht ausschließlich, aber – wie oben dargelegt – im
Wesentlichen auf dieselben Ursachen zurück. Und damit meine ich nicht nur die
europäischen Krisenstaaten, sondern ebenso insbesondere auch die USA, GB und
Japan, die für dieses Problem ja auch noch keine Lösung haben. Für dieses
Problem muss auf der europäischen Ebene nach einer Lösung gesucht werden. Im
Kern geht es dabei um ein neues europäischen Wachstums- oder besser gesagt
Wirtschaftsentwicklungs-modell. (6) (7) Denn die europäische Wachstums- und
Schuldenkrise ist Ausdruck des Scheiterns des bisher in Europa verfolgten
Wachstumsmodells (siehe Schaubild). (8) (9)
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3. Ebene:
Der zweite zentrale Problemkomplex ist die Struktur der globalen Real- und
Finanzwirtschaft. Deren Märkte werden meist von nur ein paar sehr großen
Konzernen/Banken/Playern dominiert. Und diese saugen, vereinfacht und stark
verkürzt ausgedrückt, im Wesentlichen die Gewinne auf allen bedeutenden Märkten
ab. Die Gewinnströme werden entsprechend kanalisiert. Daraus resultieren zwei
Kernprobleme unserer Zeit und zwar auf globaler Ebene:
3.1. die immer weiter auseinanderklaffende
Schere zwischen einer immer kleiner werdenden Gruppe von ewigen Gewinnern (denn
effektiven Wettbewerb und Chancen für jeden gibt es in einer derart
strukturierten Wirtschaft nicht) und einer immer größer und ärmer werdenden
Gruppe von Verlierern; (10)
3.2. die Tatsache, dass unter
Freihandelsbedingungen Krisenstaaten wie Griechenland, Portugal, Ungarn etc.
keine Chance haben, international wettbewerbsfähig zu werden und so ihre
Leistungsbilanzen in Ordnung zu bringen, auch wenn – wie oben angesprochen –
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vom Gegenteil überzeugt ist und meint,
Griechenlands mangelnde Wettbewerbsfähigkeit sei allein auf schlechte
Haushalts-führung und unterlassene Strukturreformen (Arbeitsmarkt etc.)
zurückzuführen. Dem ist nicht so. (11)
Griechenland kann seine Strukturen
reformieren und die Kosten so weit herunterschrauben wie es will, um damit – durch
die wirtschaftsliberale Brille gesehen – optimale Bedingungen für die
griechische Wirtschaft zu schaffen. International wettbewerbsfähig würde es
damit dennoch nicht werden können. Denn gegen die globalen Märkte dominierenden
Konzerne wie Intel, General Electric, Volkswagen, JP Morgan usw. haben
griechischen Unter-nehmen und Banken keine Chance. Das gilt im Übrigen auch für
Portugal, Ungarn und Co. (12)
Das Problem sind also die – zudem stark
vernetzten (13) – Strukturen der globalen Märkte, die mithin auch das “Too big
to fail”-Problem verursacht haben, aber in erster Linie keinen fairen und
effektiven Wettbewerb mehr ermöglichen.
Dies ist das übergreifende Problem, das im
globalen Kontext gesehen und gelöst werden muss. Denn es ist ursächlich für
persistierende Ungleichgewichte, Krisenanfälligkeit und systemische
Instabilität.
Dieses Problem lässt sich nicht
geldpolitisch lösen und es ist auch nicht als eines des (gewiss nicht
unprob-lematischen) Währungssystems zu verstehen. Es ist ein markt- und wirtschaftsstrukturelles
Problem, keinesfalls ein konjunkturelles.
Es bleibt zu hoffen, dass bei den
Entscheidern und generell in der Politik ein solchermaßen differenziertes Problembewusstsein
heranwächst und anschließend auch die Weitsicht und der Mut, es undogmatisch
anzugehen und die für die Problembewältigung verfügbare innovative Kompetenz
auszuschöpfen. Mit altem Wein in ständig neuen Schläuchen kommen wir nicht mehr
weiter und am Rande eines Abgrunds ist auch kein Raum mehr für eine weitere „Trial-and-error“-Runde.
Werden alle Vollstreckungstiteln gegen deutsche Staatsverwaltung alle umgesetzt gäbe es kein souveränes Deutschland.
AntwortenLöschenDeutschland strahlt also nur
weil geltendes Recht
systematisch gebrochen wird
mit harten Methoden
gegen das Grundgesetz.
Hoffe das Volk der Griechen
erkennt gegebene Möglichkeiten
aus harter Arbeit
für die Wiedervereinigung Deutschland.