In Teil 3.1 der Aufsatzreihe
wurden vier verschiedene Erklärungsansätze für wettbewerbliche Märkte
vorgestellt und in Bezug auf die ihnen zugrundeliegende Markt‑ und
Wettbewerbslogik vergleichend analysiert und diskutiert. In diesem Teil werden
die Wachstumslogik und die Orientierungsleistung dieser Erklärungsansätze für
die Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik diskutiert und der Bogen geschlagen zum
Problem der Überwindung der Rechts-Links-Logik.
Die Wachstumslogik hinter der Marktlogik
Was also kommt theoretisch im günstigsten
Fall volkswirtschaftlich und insbesondere hinsichtlich des bisher stets stark
fokussierten Wirtschaftswachstums heraus, wenn es nach diesen vier Erklärungen
von Märkten und der wettbewerblichen Marktwirtschaft geht?
Wie in der Abbildung zur Wachstumslogik zu
sehen und zu lesen ist, kommt Unterschiedliches dabei heraus, im Falle des
Ansatzes „Vollkommene Konkurrenz“
jedoch kein Wirtschaftswachstum. Es ist eine wachstums- und entwicklungslose
Vorstellung von einer Kreislauwirtschaft, in der begrenzte Ressourcen effizient
eingesetzt werden.
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Ausgehend von der Markt- und
Wettbewerbslogik des Ansatzes „Funktionsfähiger
Wettbewerb“ wird bei Erfüllung der definierten Marktbedingungen nahegelegt,
dass stetiges Wirtschaftswachstum erreichbar ist und sich innerhalb eines
Wachstumskorridors bewegt.
Aus dem Ansatz „Evolutorischer Wettbewerb“ lässt sich kein unmittelbares
Wachstumsversprechen ableiten. Nicht das Wachstum steht hier im Fokus, sondern
Entwicklung. Zudem wird der Wettbewerb anders als bei den beiden zuvor
angesprochenen Erklärungsansätzen nicht als prinzipiell selbstregulierend
aufgefasst. Infolgedessen sind positives und
negatives Wachstum bei Wettbewerb gleichermaßen möglich, abhängig von der
konkreten Entwicklung der Märkte und des Wettbewerbs.
Abschließend bleibt die Frage zu
beantworten, welche Handlungsmöglichkeiten sich aus den Erklärungsansätzen
ableiten lassen und vor allem, welche Handlungsorientierungen sie bieten.
Handlungsmöglichkeiten und Handlungsorientierungen
Was kann der Staat bzw. was können die
Parteien und Politiker in einer Marktwirtschaft gemäß dieser vier
unterschiedlichen Erklärungen für funktionierende und prosperierende Märkte
generell tun – oder eben für die rechte respektive und linke Klientel? Welche
Handlungsmöglichkeiten leiten sich daraus ab und wie ist die
Orientierungsleistung der Erklärungsansätze zu beurteilen?
Bei Betrachtung der Abbildung zur
Handlungsorientierung fällt zunächst auf, dass sich allein aus der Markt‑ und
Wettbewerbslogik „Freier Wettbewerb“ für die Politik die Empfehlung ableitet,
nicht in das Marktgeschehen einzugreifen. Alle andern bieten auch
Rechtfertigungen für Interventionen, allerdings höchst unterschiedlich
begründete.
Handlungsorientierungen des "Freien Wettbewerbs"
Weil die Mark- und Wettbewerbslogik des
Erklärungsansatzes „Freier Wettbewerb“
auf der klassischen Theorie von Adam Smith aufsetzt, gemäß der die „unsichtbare
Hand“ die Märkte ordnet und steuert, ist dabei die Hypothese ausschlaggebend,
dass die Politik prinzipiell nicht über ausreichendes Wissen verfügt, um
steuernd bzw. in der Absicht, bestimmte gesamtwirtschaftliche Ziele zu
verwirklichen, eingreifen könnte. Jeder Eingriff stellt deswegen aus dieser
Perspektive letztlich eine Wettbewerbsverzerrung dar, die im Endeffekt nichts
besser macht, sondern zu Wohlfahrtsverlusten führt und mehr noch immer neue
„korrigierende“ Interventionen nach sich zieht.
Damit reduziert sich wirtschafts- und
finanzmarktpolitisches Handeln aus dieser Marktsicht letztlich auf
Rahmen-setzung, das heißt auf die Vorgabe von Verhaltensregeln für die Marktteilnehmer
(Ordnungspolitik). Freie bzw. genauer gesagt von staatlicher Einflussnahme „freie“
Märkte sind nach dieser Auffassung gegeben, wenn die gesetzten Verhaltensregeln
bestimmten Kriterien genügen: Sie sollten unterschiedslos auf jeden
Marktteilnehmer anwendbar sein; Regeln sollten ferner grundsätzlich keine
Handlungsmöglichkeiten vorgeben, sondern lediglich bestimmte Verhaltensweisen
ausschließen, das heißt, sie sollten als Verbote formuliert sein (z.B. Verbot
wettbe-werbsbeschränkenden Verhaltens); drittens sollten Handlungsmöglichkeiten
nur für solche Umstände und Fälle ausgeschlossen werden, die für die
Marktteilnehmer auch tatsächlich vorhersehbar sind.
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Erfüllen ordnungspolitische Regeln diese Kriterien,
gelten Märkte und Marktteilnehmer als „frei“. Es ist also ein ganz spezifischer
Freiheitsbegriff, der dieser liberalen Logik zugrunde liegt, weil er als
Ursache von Freiheits-beschränkungen auf Märkten allein den Staat bzw. die Politik ansieht, nicht aber die Marktteilnehmer selbst. Das ist insofern konsequent,
weil Märkte als selbstregulierend aufgefasst werden, was aber letztlich eine unbewiesene
Hypothese ist.
Problematisch ist das aber dann, wenn
Märkte tatsächlich nicht prinzipiell
selbstregulierend sind. In diesem Fall ist es möglich, dass es im Zuge der
natürlichen Entwicklung von Märkten – so wie es etwa die Markt- und
Wettbewerbslogik des Erklärungsansatzes „Evolutorischer Wettbewerb“ beschreibt
–zu Einschränkungen der Freiheit von Marktteilnehmern kommt, nämlich infolge
des Unternehmenskonzentrationsprozesses bzw. der Oligopolisierung. Das gilt
selbst dann, wenn alle aufgestellten Regeln den für (von staatlicher
Beeinflussung) „freie“ Märkte definierten Kriterien genügen und diese auch von
den Marktteilnehmern eingehalten werden.
Im Ergebnis würde das bedeuten, dass die
Vorgabe von Regeln und die strikte Einhaltung des Nicht-Interventions-gebotes
für die Sicherstellung von freien Märkten im Sinne von Freiheit aller
Marktteilnehmer unter Umständen nicht
ausreicht und sie des Weiteren ungeeignet
ist, Freiheitsbeschränkungen die aus der Oligopolisierung von Märkten
resultieren, aufzulösen. Denn staatliche Eingriffe in die Märkte und das heißt
auch in die Marktstrukturen sollen ja gemäß des Erklärungsansatzes „Freier
Wettbewerb“ gerade unterbleiben.
Dieses Konzept sieht zudem keine Ergebnis- oder Freiheitskontrolle vor. Das heißt, weder die
Freiheit der Markt-akteure noch die Ergebnisse von Marktprozessen bzw. insgesamt
ihre wohlfahrtssteigernden Wirkungen werden in irgendeiner Weise überprüft,
gemessen und bewertet. Es gibt demzufolge auch keine Möglichkeit zu überprüfen,
ob und inwieweit die Marktteilnehmer tatsächlich in ihren Entscheidungen und
Handlungen auf Märkten frei sind. Das ist abgesehen von den bereits
angesprochenen möglichen freiheitsbeschränkenden Wirkungen der natürlichen
Marktentwicklung auch aus einem weiteren Grund nicht unproblematisch. Denn die
Marktteilnehmer werden nicht nur immer nach Möglichkeiten suchen, ihre
Konkurrenten zu übertrumpfen, sondern – was bei diesem Ansatz ein wenig unter
den Teppich gekehrt wird – ebenso immer auch nach Wegen, Regeln zu umgehen und
den Wettbewerb auszuschalten.
Es gibt bei strikter Orientierung am
Erklärungsansatz „Freier Wettbewerb“ folglich keine Möglichkeit zur politischen
Erfolgskontrolle oder genau zu überprüfen, ob und inwieweit Märkte infolge
dieser Politik wirklich effektiv funktionieren. Es wird einfach unterstellt,
dass sie es tun, was nichts anderes heißt, als dass die Politik gehalten ist,
sich auf die „unsichtbare Hand“ bzw. die Selbstregulierungskräfte des Marktes
zu verlassen.
Aus der Markt- und Wettbewerbslogik der
drei anderen Erklärungsansätze heraus können jedoch Interventionen der Politik
gerechtfertigt werden. Allerdings fällt, wie oben bereits angesprochen, die
Begründung dafür sehr unterschiedlich aus.
Handlungsorientierungen der "Vollkommene Konkurrenz"
Beim Erklärungsansatz „Vollkommene Konkurrenz“ und ihren Varianten geht es allein darum,
die entsprechenden Bedingungen herzustellen, bei denen effektiver Wettbewerb
herrscht oder anders ausgedrückt das entsprechend definierte Markt- und
Wettbewerbsideal erreicht ist.
Es wurde oben (in Teil 3.1) bereits
herausgestellt, dass die „Vollkommene Konkurrenz“ genau genommen lediglich ein
Modell der neoklassischen Theorie ist und die für das Markt- und
Wettbewerbsideal formulierten Bedingungen in der Praxis größtenteils nicht
realisierbar sind. Das gilt aber nicht für einzelne Varianten, wie etwa die
„voll-ständige Konkurrenz“ von Walter Eucken, bei der „polypolistische Märkte“,
also viele Anbieter und Nachfrager, die einzige Bedingung darstellen.
Allerdings bleibt auch dann zumindest im Grundsatz das Problem bestehen, dass
dieser Ansatz nicht auf eine wachsende oder sich entwickelnde Wirtschaft
abstellt, sondern auf eine Kreislauf-wirtschaft, bei der es um die Beantwortung
der Frage geht, wie die begrenzten und deswegen knappen Ressourcen einer
Volkswirtschaft am effizientesten verwendet werden.
Insofern kommt dieser Ansatz als
Orientierung für die heutige Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik schon deswegen
eigentlich nicht infrage, ganz abgesehen von anderen, oben aufgezeigten
grundlegenden Schwächen der neoklassischen sowie der neoklassisch geprägten
Markt- und Wettbewerbslogik.
Handlungsorientierungen des "Funktionsfähigen Wettbewerbs"
Neoklassisch geprägt ist die Markt- und
Wettbewerbslogik „Funktionsfähiger
Wettbewerb“. Ihr liegt folglich eine mechanistische Marktsicht zugrunde und
deswegen definiert auch sie ein allgemeingültiges Markt- und Wettbewerbsideal.
Dieser Erklärungsansatz bietet eine
Begründung und Orientierungen für eine korrigierende oder auch – mit Blick auf
die Wachstumsresultate – optimierende Feinsteuerung des Wettbewerbs. Das
schließt ordnungspolitische Maßnahmen (Regeln) und Regulierung ebenso ein wie
Interventionen, etwa im Rahmen der Industriepolitik. Dabei steht jedoch, sofern
sich die Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik streng an diese Logik hält, immer
die Reali-sierung des Markt- und Wettbewerbsideal im Fokus.
Was das konkret bedeutet, lässt sich am Beispiel Industriepolitik
verdeutlichen. Denn sofern diese an der Markt- und Wettbewerbslogik des
Ansatzes „Funktionsfähiger Wettbewerb“ ausgerichtet wird, was in der Regel
geschieht (klassische Form der Industriepolitik), wird sie oligopolistische
Märkte als ideal für Wachstum betrachten und mittels einer
interventionistischen Förderpolitik (Subventionen) Oligopolisten fördern. Genau
dafür ist Industriepolitik auch bekannt, denn sie zielt auf die Förderung von
„nationalen Champions“ ab, das heißt auf große Oligopolisten.
Der zentrale Schwachpunkt bei diesem
Erklärungsansatz mit seiner mechanistischen Sicht der Märkte ist, dass dabei
die Entwicklung von Märkten komplett ausgeblendet wird. Pointiert ausgedrückt
heißt das z.B., es wird davon ausgegangen, dass die Förderung (und mithin auch Erhaltung)
„nationaler Champions“ im Rahmen der Wettbewerbs- und Industriepolitik und der
Wirtschafts- und Finanzmarkpolitik immer gut ist für die Funktions-fähigkeit von
Märkten und in Bezug auf die Wachstumsresultate.
Eine sich daran orientierende Wirtschafts-
und Finanzmarktpolitik läuft aus diesem Grund im Bestreben, das Markt- und
Wettbewerbsideal zu erfüllen und vor allem auch dauerhaft zu erhalten, letztlich immer Gefahr, die Entwicklung von
Märkten nicht nur zu bremsen, sondern gegebenenfalls zu konterkarieren.
Insofern wäre es folglich nicht überraschend, wenn die Orientierung an dieser
Marktlogik mithin kontraproduktiv für das Funktio-nieren der Märkte und für das
Wirtschaftswachstum wäre. Mehr noch könnte im Extremfall das Gegenteil von dem
erreicht werden, was gemäß dieses Erklärungsansatzes eigentlich erreicht werden
sollte, sofern sich die Politik an dessen Markt- und Wettbewerbslogik
orientiert. Das heißt, die Politik könnte kontraproduktiv für Wachstum und
Beschäftigung sein.
Im Übrigen ist zu ergänzen, dass alle drei
bisher in diesem Abschnitt besprochenen Erklärungsansätze („freier Wettbewerb“,
vollkommene Konkurrenz“ und „funktionsfähiger Wettbewerb“) im Kern
markliberale, angebots-theoretisch begründete Erklärungen von Märkten und
Wettbewerb sind. Das heißt, dass sie bis zu einem gewissen Grad miteinander
Kompatibel sind und sich beispielsweise aus allen dreien eine Begründung für Austeritätspolitik ableiten lässt, wie
sie in den von Schuldenproblemen geplagten Krisenstaaten der Europä-ischen Union
angewendet wird. Die Frage, die sich freilich vor dem Hintergrund der hier
durchgeführten vergleichenden Analyse stellt, ist, inwieweit diese Politik
tatsächlich das erbringen kann, was sie der Theorie nach bzw. gemäß der drei
genannten Erklärungsansätze eigentlich erbringen sollte.
Handlungsorientierungen des "Evolutorischen Wettbewerbs"
Eine Begründungsmöglichkeit für
Interventionen leitet sich auch aus dem Erklärungsansatz „Evolutorischer Wettbewerb“ ab. Allerdings unterscheidet sie sich
gravierend von jener des „Funktionsfähigen Wettbewerbs“, weil ihm kein
mechanistisches, sondern ein evolutorisches Markt- und Wettbewerbsverständnis
zugrunde liegt. Entsprechend wird auch kein Marktideal definiert, sondern eine
Erklärung dafür geboten, warum und wie sich Märkte und Wettbewerb wandeln und entwickeln.
Es ist zudem auch keine
angebotstheoretische Erklärung. Die Entwicklung wird vielmehr aus dem
Zusam-menspiel von Angebot und Nachfrage erklärt, wobei nicht nur
Rationalverhalten berücksichtigt wird. Gemäß dieser Markt- und Wettbewerbslogik
sind vielmehr unterschiedliche Motivationen und Verhaltensweisen auf der
Angebots- und der Nachfrageseite sowie die ökonomische Tragweite von getätigten
Innovationen entscheidend dafür, dass und wie sich Märkte entwickeln.
Ein wesentlicher Unterschied zu den zuvor
besprochenen drei Erklärungsansätzen ist zudem, dass der Wettbewerb nicht als
prinzipiell selbstregulierend aufgefasst wird, sondern unterschiedliche Formen
annehmen kann, die unterschiedliche Wirkungen und Folgen auf Märkten haben.
Genau daraus leitet sich hier auch gegebenenfalls ein Interventionserfordernis ab,
nämlich wenn der Wettbewerb die dynamische Kräftebalance auf Märkten nicht mehr
von alleine zu wahren vermag (Stichwort „Raubtierkapitalismus“) und nicht mehr
oder nur noch bedingt entwicklungstragend ist (Verkrustung von Märkten).
Der Unterschied zum Erklärungsansatz
„Funktionsfähiger Wettbewerb“ in Bezug auf die Orientierungsleistung für die
Politik lässt sich wiederum am Beispiel
Industriepolitik verdeutlichen.
Während – wie oben ausgeführt – die Markt-
und Wettbewerbslogik des „Funktionsfähigen
Wettbewerbs“ zu jeder historischen
Zeit die Unterstützung von Oligopolisten („National Champions“) nahelegt, ist
die Beantwortung der Frage, ob und was unterstützt wird, gemäß der Logik des „Evolutorischen Wettbewerbs“ von der
Markt-situation und der vorherrschenden Wettbewerbsform abhängig. Was sich
daraus jeweils als Handlungsorien-tierung ableitet, hängt von den konkreten Verhältnissen auf den Märkten
ab.
Heute sind beispielsweise viele globale
Märkte oligopolisiert und werden oft von nur wenigen, sehr großen Unter-nehmen
dominiert (enges Oligopol). Sie haben zudem das Stadium der Reife überschritten
(das ist eine der im Ansatz „evolutorischer Wettbewerb“ unterschiedenen Marktsituationen), stagnieren also
mithin bereits seit einiger Zeit oder anders ausgedrückt ist das Wachstum
gering. Der Wettbewerb ist reiner
Kostenwettbewerb. Qualität und Funktionalität von Produkten und Leistungen sind
– auch aufgrund der geringen Unterschiede zwischen den konkurrierenden
Angeboten – bei dieser Form des
Wettbewerbs nicht wettbewerbsentscheidend.
Damit entspricht die heutige Situation im
Wesentlichen dem Markt‑ und Wettbewerbsideal, das der Erklärungs-ansatz „Funktionsfähiger Wettbewerb“
definiert. Die Ergebnisse kontrastieren jedoch – im negativen Sinne – stark mit
denen, die sich dabei eigentlich ergeben sollten – speziell auch in Bezug auf
Wachstum.
In dieser Situation ergibt sich aus dem
Erklärungsansatz „Evolutorischer
Wettbewerb“ eine ganz andere Handlungsorientierung. So leitet sich daraus
für die Industriepolitik ab, nicht große
Oligopolisten und keinesfalls den
Kostenwettbewerb zu fördern, sondern im Gegenteil ein geeignetes Umfeld und
geeignete Bedingungen zu schaffen für dynamisch-innovative kleine und
mittelgroße Unternehmen und damit für eine andere Wettbe-werbsform, die die
Entwicklung auf Märkten wieder stärker belebt.
Doch der Erklärungsansatz „Evolutorischer Wettbewerb“ hat nicht
nur Stärken, sondern er weist ebenfalls Schwachpunkte auf. Es ist dabei nicht
klar, ob für die typisierende Beschreibung der verschiedenen Markt-situationen
wirklich alle relevanten Kriterien herangezogen und richtig gewichtet werden.
Allerdings ist das bei den mechanistischen Erklärungsansätzen „Vollkommene
Konkurrenz“ und „Funktionsfähiger Wettbewerb“ nicht anders. Denn das dabei
jeweils definierte Marktideal ist nichts anderes als eine idealtypisch
definierte Markt-situation.
Schließlich besteht ein weiter
Schwachpunkt des Ansatzes „Evolutorischer Wettbewerb“ darin, dass jener Punkt
nicht exakt bestimmt werden kann, an dem Wettbewerb und Märkte zu kippen und
damit aus dem Ruder zu laufen beginnen (Stichworte: Ungleichgewichte,
Wachstumsschwäche, Krisenanfälligkeit, „Raubtierkapitalismus“). Das ist
insofern logisch, weil diesem Ansatz keine mechanistische, sondern eine
evolutorische Marktsicht zugrunde liegt. Nichtsdestotrotz stellt es eine
Einschränkung der Orientierungsleistung für die Wirtschafts- und
Finanzmarktpolitik dar.
Eine vollkommene Marktlogik gibt es also
nicht. Ihre Stärken und Schwächen müssen immer berücksichtigt und bei der Bewertung
ihrer Orientierungsleistung für die Politik abgewogen werden. Doch die heutige
politische Realität stellt sich in dieser Hinsicht ganz anders dar.
Fazit
Die Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik
und ganz besonders auch die Krisenpolitik, die wir heute in Europa, aber auch
in den USA und Japan sehen, wirkt nicht nur wie ein chaotische Mixtur von teils
widersprüchlichen Maßnahmen. Sie ist es auch.
Anders ausgedrückt ist die Marktlogik, die
ihr zugrunde liegt, eine wüste Kombination aus allen drei oben besprochenen
liberalen, angebotstheoretischen Marktlogiken, zum Teil zusätzlich angereichert
mit einem kräftigen Schuss Keynesianismus.
Dass eine konzeptions- und
orientierungslose Politik des Experimentierens in wirtschaftlicher und
gesellschaft-licher Hinsicht schwere Schäden anrichten kann, das ist aus der
Geschichte der ersten Weltwirtschaftskrise bekannt. Doch was heute gemacht
wird, ist nichts anderes als eine Politik des Experimentierens. Wir sollten
diese Politik im eigenen Interesse so rasch wie möglich beenden und wieder auf
eine geeignete Grundlage stellen.
Das wird nicht einfach sein. Denn um es
noch einmal ganz klar zu sagen: keiner der hier angesprochenen
Erklärungsansätze ist vollkommen. Das kann aber kein legitimer Grund dafür
sein, sich nicht mit allen vorhandenen Erklärungsansätzen auseinanderzusetzen
und sie daraufhin abzuklopfen, welche geeigneten Orientierungen sie der
Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik geben oder anders ausgedrückt, auf welche
Marktlogik sie sich stützen kann oder sollte.
Es spricht aber in jedem Fall vieles
dafür, dass eine rein angebotstheoretische Marktlogik in der gegenwärtigen
Situation – beginnend mit der Finanzmarktkrise – keine geeignete Grundlage für die Wirtschafts- und
Finanz-marktpolitik darstellt. So lange jedoch die Diskussionsgrundlage eine
rein angebotstheoretisch begründete Marktlogik bleibt, führt die
Rechts-Links-Konfrontation lediglich in eine Sackgasse, aber nicht zu einer
besseren Wirtschafts- und Finanzmarktpolitik.
Ferner ist es zumindest fraglich, ob Wirtschafts-
und Finanzmarktpolitik auf Dauer überhaupt erfolgreich sein kann, wenn sie eine
mechanistische, angebotstheoretisch begründete Marktlogik bemüht, die die
Entwicklung von Märkten und der Marktwirtschaft – auch in räumlicher,
regionaler Hinsicht – komplett ausblendet.
In jedem Fall aber geht die
Rechts-Links-Logik in diesen, die Marktwirtschaft und die Finanzmärkte
betreffenden Fragen, am Kern des Problems vorbei. Ein Paradebeispiel dafür ist
die Forderung eines gesetzlichen Mindestlohns (siehe dazu auch hier).
Zwar ist völlig richtig, dass wir heute
viel zu viele prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben. Das ist eindeutig eine
Fehlentwicklung. Allerdings ist es auch nur eine Facette eines viel
grundsätzlicheren Problems, nämlich der weit geöffneten Schere zwischen Arm und
Reich. Wer jedoch gesetzliche Mindestlöhne als einzige und effektivste Lösung
betrachtet, der akzeptiert damit genau genommen, dass die angebotstheoretische
Marktlogik alternativlos ist und setzt sich im Grunde lediglich dafür ein, den
Markt dort außer Kraft zu setzen, wo er nicht akzeptable Ergebnisse erbringt
oder die Marktergebnisse im Nachhinein zu korrigieren.
Wer so vorgehen will, hat folglich der
angebotstheoretischen Marktlogik nicht nur nichts entgegenzusetzen. Vielmehr
kapituliert er vor der Herausforderung oder negiert sogar die Möglichkeit, eine
angebots‑ und nachfrage-theoretische Marktlogik zu finden oder zu entwickeln, auf
deren Grundlage das Problem der prekären Beschäf-tigung in unserer
Marktwirtschaft, das eine Folge der
einseitigen und fehlerhaften angebotstheoretischen, liberalen Marktlogik ist, an
seinem Ursprung behoben werden könnte.
Denn ausufernde prekäre Beschäftigung kann
angesichts der vielen anderen gravierenden wirtschaftlichen Probleme (massive
Ungleichgewichte, Wachstumsschwäche, „Too big to fail“ u.a.) durchaus auch als deutlicher Hinweis darauf
interpretiert werden, dass die Märkte nicht
effektiv funktionieren und wir uns diese Probleme mit einer Wirtschafts- und
Finanzmarktpolitik selber geschaffen haben, weil die Politik auf einer
Marktlogik aufbaut, die gravierende Schwächen aufweist und deswegen nicht hält,
was sie verspricht.
In diesem Aufsatz wurden diese Schwächen
in einer vergleichenden Analyse aufgezeigt. Es wurde dargelegt, welche Alternativen es
hinsichtlich der Marklogik gibt und dass eine angebots- und
nachfragetheoretisch begründete Erklärung der Märkte keineswegs unmöglich ist.
Unabhängig von der Marktlogik wird jedoch es
immer genügend Spielraum für rechte und linke politische Positionen geben. Das
gilt schon allein deswegen, weil es dabei nicht nur um Wirtschafts- und
Finanzmarkt-politik geht und wir nicht blindlings alle Lebensbereiche
ökonomisieren können, ohne unser Gemeinwesen und den sozialen Zusammenhalt unserer
und auch der europäischen Gesellschaft zu zerstören. Mit Blick auf die
Wirtschaft und die Finanzmärkte und die Bewältigung der damit verbundenen
Probleme und Herausforderungen ist es jedoch notwendig, die Rechts-Links-Logik
zu überwinden. Denn die damit verbundene Konfrontation verbaut uns wirksam
jeden Weg hin zu einer anderen, besseren Marktlogik und die Bewältigung der
wirtschafts- und finanzmarkpolitischen Herausforderungen, vor die wir gestellt
sind.
Ergänzende Anmerkung:
Der
schematische Vergleich (Teil 1, Teil 2, Teil 3.1) korrespondiert mit früheren
Aufsätzen und Aufsatzreihen. Sie sind für das tiefergehende Verständnis des
Vergleichs hilfreich und für jene Leser interessant, die ein weiter-gehendes
Interesse an den Zusammenhängen und Implikationen der Marktlogik haben. Zu empfehlen sind insbesondere die im Folgenden genannten Aufsätze.
Zur Wettbewerbslogik:
- Wettbewerbsleitbilder der Wirtschaftspolitik: “What do we want competition to do for us?”
- Die europäische Krise – Teil 4: Das wirtschaftspolitische Leitbild der EU und die Alternativen
- Krisenstrategienin der Sackgasse II: Zeit für einen Paradigmenwechsel
- In der Wachstumsfalle - Griechenland & Co. (Teil1): Wachstum und Entwicklung
- Inder Wachstumsfalle – Griechenland & Co. (Teil 2): Das Wachstumsmodell unddie Krise
- Inder Wachstumsfalle – Griechenland & Co. (Teil 3): Lösungsperspektiven jenseitsder Wachstumslogik
Zum Zusammenhang von
Unternehmenskonzentration und Einkommens- und Vermögenskonzentration:
- Einkommens-und Vermögenskonzentration – Teil 5.1: Wer sind die Top 1 Prozent derEinkommenspyramide und was öffnet die Einkommensschere?
- Einkommens-und Vermögenskonzentration – Teil 5.2: Entwicklung und Begründung desdrastischen Anstiegs der Einkommen im US-Finanzsektor
- Einkommens-und Vermögenskonzentration – Teil 6: Das brüchige Fundament – Neuordnung desErklärungszusammenhangs der Krise und Implikationen
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