Montag, 8. November 2010

Wiederbelebung des Goldstandards? Das Währungssystem als neues Experimentierfeld in der Reihe fehlgeschlagener Versuche der Krisenbewältigung


In der Krisendebatte ebenso wie in der allgemeinen wirtschaftspolitischen Diskussion wird immer der Eindruck erweckt, "Wettbewerb" sei ein feststehender Begriff für den es eine präzise Definition gibt - und zwar genau eine. Darum wissen immer alle worüber dabei geredet wird.


Das ist definitiv falsch. Im Laufe der Jahrzehnte wurden in den Wirtschaftswissenschaften verschiedene Wettbewerbstheorien entwickelt. Zu unterscheiden sind dabei - in zeitlicher Reihenfolge - die "voll-kommene Konkurrenz", der "funktionsfähige Wettbewerb", der "freie Wettbewerb" und der "evolutorische Wettbewerb". Das sind Kurzbe-zeichnungen für Theorien, die Wettbewerb in unterschiedlicher Weise definieren.(1) Das Besondere dabei ist, dass die jeweils neueste Theorie die ältere nicht automatisch ersetzte, etwa weil sie - wie man annehmen sollte - besser war. Im Gegenteil. Alle bekannten Wettbewerbstheorien weisen gewisse Stärken und Unzulänglichkeiten auf. Mit anderen Worten existiert bis heute gar keine perfekte und allgemein akzeptierte Theorie des Wettbewerbs. Stattdessen stehen verschiedene unvollkommene und miteinander konkurrierende Theorien zur Wahl.(2)

Das ist fatal. Schließlich ist Wettbewerb der "Motor" der Marktwirtschaft, das heißt, er ist es, der Wachstum, Entwicklung und Wohlfahrtssteige-rungen bewirkt oder anders ausgedrückt marktwirtschaftlich geordnete Volkswirtschaften prosperieren lässt. Und wenn unklar ist, wie Wettbewerb genau funktioniert und unter welchen Voraussetzungen dieser "Motor" rund läuft, so dass die Marktwirtschaft prosperiert, wie will man dann sicherstellen können, dass er genau das tut? Oder schlimmer noch, wie will man dann sicherstellen können, dass er das wieder tut, wenn er nämlich ins Stottern geraten ist, wenn mit anderen Worten die Volkswirtschaft in der Krise steckt - wie jetzt?

Das ist keine akademische Frage, sie ist gegenwärtig von höchster praktischer Relevanz. Mit Blick auf das sehr geringe Wirtschafts-wachstum, das für die Regierungen einer Reihe von Industriestaaten spätestens seit der Lehman-Pleite im Herbst 2009 ein ernstes Problem darstellt, ist dies offensichtlich eine absolut zentrale Frage.

Schaut man beispielsweise nach Japan, so sieht man, dass dort die Geldpolitik extrem gelockert und zwischenzeitlich schon das fünfte Konjunkturpaket beschlossen wurde, ohne dass dies in einer nachhaltigen Stabilisierung oder gar aufwärts gerichteten Wirtschafts-entwicklung seinen Niederschlag gefunden hätte.

Oder die USA: Banken und Unternehmen wurden mit beispiellosem finanziellen Aufwand gerettet, die Konjunktur mit massiven staatlichen Anreizen stimuliert und die US-Notenbank flutete die Märkte mit Dollars bei Zinsen nahe Null - erst letzte Woche setzte sie die nächste gigan-tische Geldspritze für die Märkte. Genutzt hat all das nichts. In diesem Jahr wurden bereits 143 US-Kreditinstitute von der Bankenaufsicht geschlossen - mehr als im gesamten Krisenjahr 2009 (3), die Arbeits-losigkeit verharrt auf Rekordhöhe, das Wirtschaftswachstum kommt auf Quartalssicht nicht mehr über die Region mit einer Null vor dem Komma hinaus.

Das Erstaunliche ist, dass sich niemand mit dieser zentralen Frage beschäftigt hat - bis heute nicht. Dennoch wurden mit Milliardenaufwand die Finanzmärkte gestützt, Banken gerettet und Maßnahmen zur Konjunkturförderung umgesetzt. Ob sich diejenigen, die dies veran-lassten, dessen nun bewusst waren oder nicht, spielt keine Rolle. Es war von vornherein klar, dass diese Maßnahmen nichts anderes als ein gewagtes Experiment mit ungewissem Ausgang sein würden - Erfolg wäre reine Glückssache gewesen. Denn wie soll man es bezeichnen, wenn jemand an einem stotternden, hustenden und spuckenden "Wirtschafts-motor" herumhantiert, ohne wirklich zu wissen, wie dieser funktioniert?

Das ist keine Übertreibung. Man denke nur an die Unfähigkeit der führenden Ökonomen, die Krise vorauszusehen sowie an ihre Ratlosigkeit, wie ihr am besten wirksam zu begegnen sei. Bis heute sind sie bei der Beseitigung ihrer Erklärungsdefizite im Prinzip nicht vorangekommen.(4)

Nachdem nun aber die sogenannten Experten - unter ihnen auch der Wirtschaftsprofessor Ben Bernanke - ihr Wissen zur Bewältigung großer Wirtschaftskrisen ohne nachhaltigen Erfolg ausgetestet haben,(5) setzt bei Ihnen das große Stirnrunzeln ein. Was tun?

Jetzt wurde also ein neues Experimentierfeld ausgemacht: das Währungssystem. Der Weltbank-Chef Robert Zoellick etwa schlägt eine Wiederbelebung des Goldstandards vor (6), um die Devisenmärkte zu stabilisieren. Um es vorweg zu nehmen: Egal wie versucht wird das Währungssystem zu reformieren, es wird für die Märkte keine stabi-lisierende Wirkung haben, weil es gar nicht die Ursache für die Instabi-litäten der Märkte (Finanzmärkte und Realwirtschaft) ist. Diese Heran-gehensweise an das Problem ist nichts anderes als zu behaupten, der "Wirtschaftsmotor" stottere und huste, weil das Benzin, das ihm zugeführt wird, schlecht sei. Um im Bild zu bleiben: Das sagt immer noch jemand, der keine Ahnung hat wie dieser Motor funktioniert und darum wäre auch dieser neue Anlauf nichts weiter als ein neues Experiment - eines, das ebenso geringe Erfolgsaussichten wie die bisherigen hätte.

Wohlgemerkt, es soll damit nicht in Abrede gestellt werden, dass eine Reform des Währungssystems für sich genommen vielleicht sinnvoll wäre. Nur darf nicht erwartet werden, dass dadurch die existierenden Probleme, die Finanzmärkte und Realwirtschaft anhaltend in die Krise drücken und Verwerfungen verursachen, gelöst werden können. Immerhin die Goldspekulanten dürften sich über Zoellicks´Vorschlag freuen.

Links:
(1)   Stefan L. Eichner, Wettbewerb, Industrieentwicklung und Industriepolitik, Berlin 2002;
(2)   Wirtschafts- und Finanzmarktkrise: Falsche Theorie, falsche Politik (v. 17.11.09);
(2)   Kapitalismus in der Krise: Abschied von der freien Marktwirtschaft, Abschied vom Wettbewerb? (v. 20.09.09);
(3)   Bankensterben: Die Kleinen zahlen die Zeche (v. 06.11.10);
(4)   Die Krise bewältigen: Das Dilemma von Ökonomen und Notenbankern (v. 06.07.09);
(5)   Erste und zweite Weltwirtschaftskrise: Eine andere Situation, andere Maßnahmen, aber dieselben entscheidenden Fehler - History Repeating? (v. 21.03.10);
(6)   Währungsstreit: Weltbank-Chef fordert neuen Goldstandard (v. 08.11.10).

5 Kommentare:

  1. Solltest Dich mal mit den Werken von Hayeks und von Mises' vertraut machen, mit der Österreichischen Schule der Nationalökonomie! Lies zur Einführung "Geldsozialismus" von Roland Baader!

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  2. @ schwul-und-liberal
    Das habe ich schon getan. Aber vielleicht sollten Sie mal etwas genauer lesen, was ich hier eigentlich genau geschrieben habe.

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  3. Warum hast Du denn eigentlich die 'monopolistic competition' von Chamberlain ausgelassen? Die scheint mir, und sei es auch nur anhand des Begriffs, derzeit eher geeignet, als die vorgestellten Konzepte. Die ist zwar in gewisser Weise 'undemokratisch', aber so sieht´s doch derzeit fast aus!

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  4. @enigma
    Stimmt. Aber es immer noch eine Gleichgewichtsbetrachtung - mit all den Schwächen, die die Gleichgewichtstheorie eben hat. Ich denke deswegen nicht, dass die uns in der gegenwärtigen Lage sagen kann, wie es - im positiven Sinne - weitergehen soll. "Workable Competition" passt übrigens vielleicht doch noch besser (leider auch gleichgewichtstheoretisch).

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  5. Der obige Artikel ist so sinnfrei, dass sich ein sinnvoller Kommentar dazu erübrigt. Wie Makroökonomie funktioniert und warum das (noch) bestehende System nicht funktioniert, beschreibt – garantiert ohne Denkfehler und in der kürzest möglichen Form – diese pdf-Datei:

    http://www.deweles.de/files/soziale_marktwirtschaft.pdf

    Es bleibt die Alles entscheidende Frage, warum die echte Soziale Marktwirtschaft bis heute nicht realisiert wurde. Die Antwort liegt im kollektiv Unbewussten:

    http://www.deweles.de/files/himmel_auf_erden.pdf

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