In China hat der neue Staatspräsident Xi
Jinping der Kommunistischen Partei und sich selbst Bescheidenheit und
Sparsamkeit verordnet und den Kampf gegen Korruption und hemmungslose Bereicherung
der Parteielite, bei gleichzeitig immer drückenderer Armut im Großteil der chinesischen
Bevölkerung, zu seiner Hauptaufgabe gemacht.
Beim Konklave in Rom haben die Kardinäle
mit dem Erzbischof von Buenos Aires und Jesuiten Jorge Mario Bergoglio einen
Mann zum Papst gewählt, der sich mit seinem entschiedenen Kampf gegen Armut, Ungerechtigkeit
und Korruption einen Namen gemacht hat und der für seine Bescheidenheit bekannt
ist.
Etwa ein Viertel der wahlberechtigten italienischen
Bürger hat bei den Parlamentswahlen mit Beppe Grillo einen Mann gewählt, der sich
dezidiert und vehement gegen die Massenverarmungspolitik der Regierung Monti
und der Euro-Gruppe, gegen die darin zum Ausdruck kommende Ungerechtigkeit gegenüber
der breiten Bevölkerung und vor allem auch gegen Korruption und Verschwendungssucht
ausgesprochen.
Dazu als Hintergrund nur ein paar
Hinweise: Seit 2008 ist in Italien ein Viertel der Produktion weggebrochen, insgesamt
818.000 Menschen haben seither ihren Arbeitsplatz verloren und allein 2012
machten 364.972 überwiegend kleine und mittelgroße Unternehmen dicht. Jedes
zweite Kleinunternehmen bezahlt seine Mitarbeiter heute in Raten, drei von fünf
Betrieben nehmen einen Kredit auf, um ihre Steuern bezahlen zu können, Zinsen wie
auch die Zahl notleidender Kredite sind in die Höhe geschossen und ein Drittel aller
italienischen Unternehmen leidet unter Liquiditätsmangel. (1)
Dasselbe geschieht etwa auch in
Griechenland und in Spanien, wo – als Spätfolge der geplatzten Immobi-lienblase – noch
zusätzlich täglich etwa 500 Immobilien zwangsgeräumt werden, weil die
Eigentümer aufgrund der katastrophalen Wirtschaftslage oder weil sie ihren
Arbeitsplatz verloren haben ihre Hypothekenkreditraten vielfach nicht mehr zahlen
können. Wird in Spanien nur eine einzige Rate nicht rechtzeitig gezahlt, können
Banken mitunter nicht nur horrende Verzugszinsen fordern, sondern auch entsprechende
Hypothekenverträge einfach für nichtig erklären und mit einem Schlag den
gesamten Darlehnsbetrag zurückzufordern – wozu aus naheliegenden Gründen kaum
ein Kreditnehmer in der Lage ist. Die jeweilige Bank hat damit das Recht zur
Zwangsräumung. Spaniens Bankensektor steckt in großen, selbst verursachten finanziellen
Schwierigkeiten. Dieses Beispiel zeigt, wie die Banken damit umgehen. Die haarsträubende
spanische Gesetzgebung macht es ihnen möglich (2) und das erinnert allzu sehr an
die Praktiken der Banken in den USA (3).
Erst Massenproteste und eine von 1,5
Millionen Spaniern unterzeichnete Petition, die ein sofortiges Ende der von den
Banken veranlassten Zwangsräumungen forderte, brachten die konservative
Regierungspartei von Premier Mariano Rajoy, gegen die die Staatsanwaltschaft
wegen Korruptionsverdachts ermittelt, dazu, eine Gesetzes-initiative zur
Vermeidung sozialer Härten in die Wege zu leiten. Doch zögerte die Regierung,
die die absolute Mehrheit im Parlament hat, die Verabschiedung hinaus, weil eine
Klage gegen die gesetzliche Regelung von Zwangsräumungen vor dem Europäischen Gerichtshof
(EuGH) zur Entscheidung anstand. Eine Änderung des spanischen Verfahrens zur
Zwangsräumung von Wohnungen wird es jetzt nur deswegen geben, weil der EuGH
dieses Verfahren für unvereinbar mit dem europäischen Recht zum Verbraucherschutz
und infolgedessen für nichtig erklärte. (4)
Was bedeutet das?
Es bedeutet, dass die Staats- und Regierungschefs
der Europäischen Union, die gerade auf dem Frühjahrsgipfel bekräftigt haben,
Kurs halten zu wollen, anders als die chinesische Führung und die katholische
Kirche die Zeichen der Zeit und die Dringlichkeit einer deutlichen
Kurskorrektur noch immer nicht erkannt haben. Dass selbst das immer noch mit
starkem Wirtschaftswachstum ausgestattete China und die katholische Kirche, die
mit Fragen des Wirtschaftswachstums und der Arbeitslosigkeit unmittelbar gar
nichts zu tun hat, dies sehen, während sich die europäischen Staats- und Regierungschefs
noch immer gegenseitig für ihre, die wirtschaftlichen Probleme und die sozialen
Spannungen in Europa dramatisch verschärfende, Krisenpolitik auf die Schulter
klopfen, ist auf eine mittlerweile beinahe peinliche Weise irritierend.
Denn was überall in europäischen Krisenstaaten
gegenwärtig bedingt durch die austeritätspolitische Krisenpolitik de facto stattfindet,
ist vereinfacht ausgedrückt Folgendes:
Es werden in einer die
volkswirtschaftliche Substanz verzehrenden Weise zu Lasten der
gesellschaftlichen und unternehmerischen Unter- und Mittelschicht große Banken und
Unternehmen stabilisiert und im Zweifel auch immer wieder gerettet, die jahrelang
- erstens eine Kostensenkungsstrategie gefahren haben, die sozialpolitisch gesehen für die Staaten teuer war, zudem aber immer stärker auch an die eigene Unternehmenssubstanz ging, was in Krisenzeiten und auch deswegen zum Problem werden musste, weil sie
- zweitens in massivem Umfang Geschäfte getätigt haben, die auf keiner soliden Grundlage standen, sondern mit erheblichen immanenten (Ausfall-)Risiken verbunden waren, welche letztlich bei den Staaten abgeladen wurden und sie
- drittens praktisch nach wie vor nicht wirksam dazu gezwungen sind, es wirklich anders zu machen, sondern im Gegenteil trotz einiger Gegenmaßnahmen unter dem Deckmantel der Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit politisch unter dem Strich noch immer dabei unterstützt werden.
Diese Art von Krisenpolitik ist absurd. Sie
weitet im Effekt nicht nur die Schere zwischen Arm und Reich brachial und
beschädigt die wirtschaftliche Basis Europas gravierend sowie möglicherweise längerfristig.
Sie ist bildlich gesprochen zudem auch in etwa dasselbe, als würde der Kapitän
der leckgeschlagenen Titanic nach und nach alle Passagiere der 3. Klasse und
der 2. Klasse über Bord werfen lassen, weil er restlos davon überzeugt
ist, dass das Schiff die 1. Klasse dann auch wieder besser (z.B. im Falle
Italiens und Spaniens) bzw. weiterhin (im Falle Deutschlands) wird tragen
können.
Das heißt, die Krisenpolitik ist letztlich
nicht nur irrational, sondern auch unter sozialen und ethischen Gesichts-punkten
unhaltbar geworden.
Europa steht längst unter Wasser – in wirtschaftlicher
wie in gesellschaftlicher Hinsicht. Die Füße der Kapitäne und der
1. Klasse sind aber noch immer trocken.
Es ist ein Trauerspiel, dass jeder, der
das nüchtern feststellt, als Marktwirtschafts- oder Kapitalismusgegner verunglimpft wird. Doch gerade
deswegen muss es auch gesagt werden. Denn die meisten „Kapitalisten“ sitzen eben
gar nicht in der 1. Klasse - und Europa ist kein Unterseeboot.
Vielleicht wird die Krise gar nicht von unfähigen Verantwortlichen verschärft.
AntwortenLöschenVielleicht wissen diese Verantwortlichen sehr genau, was -und wessen Werk- sie tun.
Vielleicht ist diese Krise genau das, was interessierte Kartelle noch gebraucht haben, um etwas durchzusetzen, das in "Friedenszeiten" unmöglich gewesen wäre, jetzt aber alternativlos erscheint.
Dem kann ich (als Jemand, der mitten drin im Finanzmarktgeschehen sitzt) nur zustimmen. Hier an Zufälle zu glauben oder an pure Stümperei (siehe Zypern-"Rettung") wäre meines Erachtens grob fahrlässig....
LöschenJa, sicherlich. Aber natürlich gibt es einen Unterschied zwischen "glauben" und "wissen", der mich als Akteur auf den Fianzmärkten nicht zu interessieren braucht, den ich als Verfasser von Posts aber nicht ignorieren kann. Aber all das auszusprechen, dafür ist die Diskussion im Kommentarbereich ja gedacht und der wird von den meisten Lesern als ebenso wichtig angesehen, wie der jeweilige Aufsatz.
LöschenViele Grüße
SLE
"Es bedeutet, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die gerade auf dem Frühjahrsgipfel bekräftigt haben, Kurs halten zu wollen, anders als die chinesische Führung und die katholische Kirche die Zeichen der Zeit und die Dringlichkeit einer deutlichen Kurskorrektur noch immer nicht erkannt haben. ... während sich die europäischen Staats- und Regierungschefs noch immer gegenseitig für ihre, die wirtschaftlichen Probleme und die sozialen Spannungen in Europa dramatisch verschärfende, Krisenpolitik auf die Schulter klopfen, ist auf eine mittlerweile beinahe peinliche Weise irritierend."
AntwortenLöschenJa, es ist nicht zu fassen, was da abgeht!
Aber gemach. "Unsere" Politniki und "unser" Elitariat findet immer neue (Kriegs-)Schauplätze. Jezz wo die Cinesen erkannt haben: "So geht's nich weiter!" iss Indien dran. Für Waxxtum - gegen die Menschen!!
Ich denke schon, dass dies schwieriger wird, weil es überall von den Menschen immer weniger akzeptiert wird. Denken Sie alleine mal an die vielen Proteste in China (80-100.000 im letzten Jahr!) und daran, dass gerade die chinesische Führung heute vor nichts mehr Angst hat, als vor sozialen Unruhen. Auch in Indien ist dies der Fall. Die Ausbeutung von Arbeitern hat dort in letzter Zeit - ebenso wie in China - mehrfach zu eskalierenden Protesten in Firmen/Fabriken geführt.
LöschenViele Grüße
SLE
"Auch in Indien ist dies der Fall." Träumer!! Ich sag's noch'mal: Träumer!!
AntwortenLöschenDa wird der zuständige Provinz-Gauner...äh -Gouvaneur mit 'nem Flatscreen bestochen ... äh beschenkt - und noch 'n Streichelhandy "für die gnädige Frau - weil sie immer soviel arbeiten und mit uns unterwegs sind" - und im Restaurant des 5-Sterne-Hotels zum "Geschäfts"-Essen eingeladen - welches so viel kostet, an einem Abend, wie 10 Familien in dessen Distrikt im Monat mit harter Arbeit verdienen - da wird mit Hygiene, steriler Verpackung und internationalen Standards gelockt (ggf. gedroht), da "hilft" der deutsche Botschafter (sinngem.): "Wenn ihr nicht pariert, ziehen wir euch den Hosenboden stramm!"
Bis dato hab' ich hier nur substantielles gelesen ... kommt jezz die Abteilung: "Träumerei"? ;-) Hier iss eindeutig noch Verbesserungspotential vorhanden.
Zu Ihrer Entschuldigung: Ich bin jezz 63, war 30 Jahre selbständig; ich war auch 'mal jung!
Ich habe das Gefühl wir reden nicht über dasselbe. Ich habe mich auf das bezogen, was ich im Aufsatz geschrieben habe. Es ist überall schwerer geworden, angesichts der sich weiter öffnenden Schere zwischen Arm und Reich eine Kostensenkungspolitik durchzusetzen, die so gestaltet ist, dass sie diese Spreizung noch weiter verstärkt.
LöschenDass beispielsweise - wie im Aufsatz angesprochen - die neue chinesische Führung dieses Problem zu einem wichtigen Schwerpunkt ihrer Politik macht( ebenso wie übrigens auch den Kampf gegen die Korruption), ist eine Tatsache. Inwieweit das gelingt, steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt.
Und auch in die Durchsetzung neuer austeritätspolitischer oder anderen, einschneidender Maßnahmen, die die angesprochenen Ungleichverteilung von Lasten verstärkt und zur weiteren Öffnung der Schere beiträgt, ist erkennbar sukzessive immer schwerer geworden.
Es hat also gar nichts mit Träumerei zu tun, wenn ich das hier feststelle. Da müssten Sie mir jetzt bitte einmal erklären, was Sie eigentlich meinen.
Viele Grüße
SLE