Donnerstag, 30. Juni 2011

Kernproblem der Krise: Der Staat füttert seine Raubtiere


Auch nach der Entscheidung des griechischen Parlaments zugunsten des neuen Sparpakets ist die Krise Griechenlands nicht vorbei und die Abwärtsspirale keineswegs durchbrochen. Mit der Entscheidung hat sich die griechische Regierung, aber vor allem auch die Europäische Union lediglich einmal mehr ein wenig Zeit gekauft - auf Kosten der Bürger. Läuft es wie bisher, dann wir diese Zeit auch jetzt wieder nicht dazu genutzt werden, die wirklichen Krisenursachen anzupacken und eine tragfähige Gesamtlösung zu erarbeiten.

In diesem Blog habe ich in einer Reihe von Posts dargelegt, dass eine zentrale Krisen-ursache in der Kombination gesättigter Märkte, der Dominanz dieser Märkte durch wenige, sehr große Unternehmen respektive Banken sowie der einseitigen Unterstützung dieser durch die Politik über mehrere Dekaden hinweg zu sehen ist. Das Problem betrifft, um es hervorzuheben,  Realwirtschaft und Finanzmärkte gleichermaßen.

Das Wirtschaftssystem der Industriestaaten ist infolgedessen heute nicht mehr durch von freiem Wettbewerb gesteuerte Märkte gekennzeichnet. Vielmehr liegt bedingt durch den Umstand, dass mittlerweile sehr viele volkswirtschaftlich bedeutende sowie insbesondere globale Märkte oligopolisiert sind und von einer kleinen Zahl sehr großer Unternehmen dominiert werden und bedingt durch das Ausmaß der Ausrichtung der Politik auf die Interessen der Oligopolisten de facto ein korporativistisches Wirtschaftssystem vor. (1)

In einem solchen, auch als Korporatokratie bezeichneten Wirtschaftssystem entscheidet im Wesentlichen nicht mehr der Wettbewerb, welche Produkte und Leistungen auf Märkten angeboten werden bzw. erfolgreich sind. Stattdessen handeln einflussreiche Interessengruppen (Lobbyismus) und mithin eben vor allem die Oligopolisten mit der Politik entsprechende, sie begünstigende politische Entscheidungen aus.

Wie ernst dieses Problem ist, lässt sich etwa am Beispiel der USA und der US-Gesund-heitsindustrie zeigen. (2)

Die Politik fördert und unterstützt Oligopole, weil sie diese als ideal für Innovation, Wachstum und Beschäftigung ansieht. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine umstrittene ökonomische These, die allerdings über die Jahre zum nicht mehr hinter-fragten Glaubenssatz erhoben worden ist. (3) (4) Sie tut es außerdem, weil das einfacher ist, als sich mit einer Vielzahl von Unternehmen und Belangen auseinandersetzen zu müssen, das heißt aus praktischen Gründen. Andererseits existieren aber auch personelle Verflechtungen und Interessenkonflikte, die nicht behoben werden, wie Organisationen wie etwa LobbyControl und Transparency International immer wieder aufzeigen. Im Zuge der Krise ist zudem immer öfter ein weiterer Grund für die nahezu bedingungslose Unterstützung von Oligopolisten zu beobachten: Die Politik tut es, weil sie nicht mehr anders kann ("Too big to fail"-Problem).

Vor diesem Hintergrund habe ich in diesem Blog vom ersten Post an hervorgehoben, dass
  1. die Weltwirtschaftskrise keine Folge der Finanzmarktkrise ist, sondern letztere lediglich als Katalysator gewirkt hat und somit die bereits existierenden Probleme in der Realwirtschaft virulent werden ließ (5);
  2. diese doppelte Krise nicht in erster Linie ein geldpolitisches Problem ist und insofern auch nicht (zumindest nicht primär oder gar allein) durch Notenbankpolitik überwunden werden kann (6);
  3. die Krise vor allem ein wirtschaftspolitisches Problem darstellt, was bis heute noch nicht wirklich wahrgenommen worden ist - siehe das Agieren der Politik in der EU-Schuldenkrise (7) (8) (9) und insbesondere die dadurch bedingte wirtschaftliche Abwärtsspirale Griechenlands, aber auch der USA (10);
  4. die Krise weder durch eine (neo)liberale Wirtschaftspolitik (Deregulierung, Privatisierung) oder Austeritätspolitik (Sparpolitik bzw. massiv Geld aus den Märkten ziehen) noch durch keynesianische Konjunkturstimulierung (Staats-verschuldung bzw. massiv Geld in die Märkte pumpen) bewältigt werden kann und deswegen
  5. eine solche Politik die Probleme im günstigsten Fall (Bankenrettung und Konjunkturstimulierung) für eine gewisse Zeit übertüncht, letztlich jedoch alle Varianten die Probleme im Endeffekt verschärfen (11).
Egal ob USA oder Europäische Union - ein solchermaßen "konstruiertes" Wirtschafts-system ist keineswegs förderlich für Wachstum und Beschäftigung und es ist nicht nur höchst instabil, sondern auf Dauer nicht überlebensfähig. Die Politik weltweit bemüht sich mit anderen Worten seit Beginn der Krise im Jahr 2007 mit erheblichem und mittlerweile auch nicht mehr vertretbarem Aufwand darum, das Leben dieses Systems künstlich zu verlängern, ohne die gekaufte Zeit dafür zu nutzen, an einem tragfähigen System zu arbeiten und dieses sukzessive auch umzustezen, um so die negativen Krisenfolgen möglichst gering zu halten. Stattdessen schiebt sie die Probleme vor sich her, was darauf hinaus läuft, dass sie immer größer werden und im Falle eines Crahs des Systems entsprechend immer gravierendere Folgen produzieren.

Es stimmt schon, die Bürger in Deutschland spüren davon derzeit nichts. Die Wirtschaft brummt. Aber wer will seine Hand dafür ins Feuer legen, dass das in ein paar Wochen oder Monaten auch noch so ist? Eines steht fest: Zeitungen und TV werden Sie wie immer informieren, wenn unangenehme Ereignisse eingetreten sind.

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-    Meinung - Euro-Union: Das Volk kündigt den Vertrag mit der Politik (v. 22.08.11).

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